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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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Glas geguckt. Nein: Sternhagelvoll. In der vergangenen Woche hatte sich Kathleens Herz ein wenig für ihre Schwägerin geöffnet. Das hatte angefangen, als Ann Marie Alices Tomatenpflanzen zertrampelt hatte und dann dem Priester gegenüber total ausgerastet war. Es macht einfach keinen Spaß, jemandem die Pest an den Hals zu wünschen, der kurz vor einem Zusammenbruch steht. Selbst, wenn es sich dabei um die Erzfeindin handelt.
    Ann Marie ging lächelnd auf Steve zu und sagte etwas zu ihm. Dann befummelte sie sein Revers. Ihr Gesicht war seinem gefährlich nah, und sie sahen aus wie Liebende kurz vor dem Kuss. In dem Moment, in dem Kathleen das dachte, neigte ihre Schwägerin sich vor und presste ihre Lippen auf seine.
    »Oh Gott«, entfuhr es Kathleen, und sie legte die Hand auf den Mund. Sie war so aufgeregt, als würde sie gerade die letzte Folge ihrer Lieblingsseifenoper sehen. Ihre Schwägerin hatte was mit ihrem verheirateten Nachbarn. Das war zu schön, um wahr zu sein. Einen Augenblick lang stellte sie sich schon vor, wie sie später, wenn sich alle wieder auf der Picknickdecke drängten und das Feuerwerk bewunderten, sagen würde: Und, Ann Marie und Steve, wann hat es zwischen euch gefunkt?
    Kathleen erinnerte sich noch gut an Ann Maries Worte, als sie damals herausfand, dass Paul sie betrog. Ihre Schwägerin hatte nur selbstgerecht gesagt: »Das musst du mit deinem Mann klären.«
    Wie dumm Kathleen sich damals vorgekommen war. Wie hilflos. Aber jetzt sah alles anders aus. Wenn man nur lange genug wartet, gleicht sich vielleicht jede Ungerechtigkeit irgendwann aus.
    Aber dann hatte Steve sich ganz plötzlich von Ann Marie losgerissen. Was er sagte, konnte Kathleen nicht verstehen, aber an seiner Mimik las sie ab, dass er überrascht war, und zwar nicht positiv. Die beiden sprachen kurz miteinander, dann ging er eilig davon und ließ Ann Marie mit Tränen in den Augen stehen. Was für ein Gentleman, der eine offensichtlich schwer alkoholisierte Frau einfach in der Menge zurücklässt.
    Ann Marie tat Kathleen sofort leid. Es war ihr gequälter Gesichtsausdruck und der Ausdruck der Scham darin. Kathleen fühlte sich stark und begriff, dass das alles war, was sie gebraucht hatte. Sie wollte Ann Marie mit ihrem Wissen nicht bedrohen. Der Beweis, dass Ann Marie selbst wusste, dass sie nicht makellos war, reichte ihr vollkommen.
    Genau in dem Augenblick sah Ann Marie sie. Scheiße . Kathleen hoffte, dass ihre Schwägerin einfach davongehen würde, aber stattdessen kam sie auf sie zu.
    »Bitte, bitte erzähl es nicht Patrick, Kathleen. Ich bitte dich«, stieß Ann Marie verzweifelt hervor.
    Kathleen rief sich in Erinnerung, wie betrunken Ann Marie war, und machte den Alkohol für einen Teil ihres Verhaltens verantwortlich. Sie wollte lieb zu ihr sein und diesmal nicht ihre Kelleherseite zeigen, sondern die andere, bessere Version ihrer Selbst, von der sie dachte, sie hätte sie auf der Farm in Kalifornien zurückgelassen.
    »Was soll ich nicht erzählen?«, sagte sie. »Ich hab nichts gesehen. Ich warte hier nur darauf, dass Maggie endlich aus dieser widerlichen Toilette rauskommt. Sie ist da schon ewig drin.«
    Ann Marie sah sie ungläubig an.
    »Bitte«, sagte sie abermals. »Ich kann das alles erklären.«
    Dem Universum sei Dank: Endlich kam Maggie aus dem Klo.
    »Da kommt sie ja«, sagte Kathleen und winkte Maggie zu. Sie wollte Ann Marie klarmachen, dass sie keine Bedrohung darstellte. Also wählte sie den freundlichen Ton, mit dem sie auch die Schulleiter in Kalifornien um den Finger wickelte: »Und jetzt: Wo sitzt ihr und was habt ihr an Nachtisch dabei?«
    Der Rest des Abends verging wie im Flug, und Kathleen war fast ein bisschen schwindelig. Sie war jetzt ein besserer Mensch, und das war ein verdammt gutes Gefühl. Sie redete mit dem schleimigen Steve über Golf und Musik (es überraschte sie doch immer wieder, dass selbst in einem teuren Brooks-Brothers-Polohemd und einem Paar elegant abgewetzter kurzer Nantucket Reds ein alternder Grateful-Dead-Fan stecken konnte). Sie plauderte mit seiner Frau über ihre San-Francisco-Reisepläne und lobte den klebrigen, überzuckerten Nachtisch und ooohte und aaahte beim Feuerwerk, bis Maggie sie am Ärmel zog und sagte: »Du machst mir ja richtig Angst, Mama. Sag bloß, es gefällt dir hier wirklich mit uns.«
    Während Maggie duschte, packte Kathleen ihre Sachen. Viel war es nicht. Sie hatte in den letzten drei Tagen täglich dasselbe verwaschene T-Shirt von Arlo

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