Sommer in Venedig
öffnete keck einen weiteren
Knopf ihrer ohnehin viel zu engen Bluse und machte auf dem Absatz kehrt. Am
liebsten hätte Rebecca mit dem Handfeger nach ihr geworfen.
Den ganzen Dienstag über lief ihr Gregorio kein
einziges Mal über den Weg. Sie wusste nicht, was für Aufgaben er hier im Hotel
ausführte. Auch später, als Rebecca den Abend auf der Bank im Innenhof
ausklingen ließ, blieb sie allein. Vergeblich versuchte sie, sich auf ihre
leichte Lektüre zu konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu dem
besagten Fitnessraum ab. Sie stellte sich vor, wie Emilia mit Gregorio in der
Sauna saß und wie ihr dabei der Schweiß in einem Rinnsal zwischen den nackten
Brüsten hindurch floss, Richtung Schoß. Rebecca stellte sich vor, wie Gregorio
dabei zusah und wie seine Männlichkeit dabei wuchs. Mit einem lauten Knall
klappte sie das Buch zu und ging in ihr Zimmer. Doch auch hier wollte der
Schlaf sie nicht von den Fantasien erlösen, die Emilia ihr in den Kopf
gepflanzt hatte.
Vollkommen gerädert wachte sie schon auf, bevor
der Wecker die Musik erklingen ließ, machte sich fertig und ließ sich von
Ariana einen doppelten Espresso zubereiten. Als sie mit ihrer Arbeit begann,
hoffte sie inständig, dass Emilia sie heute in Ruhe lassen würde. Warum konnte
Rebecca sie nicht einfach ignorieren? Sie hatte so schöne Momente mit Gregorio
erlebt, von denen sie zehren konnte. Sie hatte schließlich keinen Anspruch
darauf, dass er jede freie Minute mit ihr verbrachte, nur, weil sie einmal
miteinander geschlafen hatten. Wünschte sie ihn wirklich beständig in ihrer Nähe?
Oder wollte sie ihn nur unter Kontrolle haben, damit er nicht zu Emilia oder
einer der anderen ging? Normalerweise war es nicht Rebeccas Art, andere an sich
zu ketten, aber sie konnte nicht leugnen, dass Emilias Sticheleien sie bis ins
Mark verletzten. Mit diesen und ähnlichen Gedanken verging der Tag. Umso
dankbarer war Rebecca darüber, dass sie für heute mit der Arbeit fertig war,
ohne Emilia begegnet zu sein.
Leider jedoch hatte sie sich zu früh gefreut. Als
Rebecca gerade ihren leeren Pastateller einem der Küchenmädchen reichte und
sich an ihr Brasato - einen toskanischen Rinderschmorbraten - machen wollte,
tauchte Emilia auf. Zusammen mit einem schmächtigen Zimmermädchen mit dünnen,
schwarzen Strähnen, setzte sie sich ans andere Ende des langen Holztisches, wo
sie ungeniert gackerten und ebenso ungeniert den Namen Gregorio erwähnten.
»Er war wieder so unglaublich ausdauernd«, hörte
Rebecca die Feindin schwärmen. »Du solltest seinen verschwitzten Körper sehen,
wenn er Sport gemacht hat.«
Die Schwarzhaarige kicherte hysterisch auf.
Rebecca nahm den Rotwein und schenkte sich das
Glas voll. Der zarte Braten quoll in ihrem Mund auf und wollte nicht rutschen.
Sie brauchte ein weiteres Glas Wein, um ihren Teller leer zu essen. Schließlich
hatte der Rotwein ihre Nerven so weit beruhigt, dass sie ohne zu zittern
aufstehen und ihren Teller abräumen konnte.
Emilia würdigte sie derweil keines Blickes. Auch
wenn Rebecca genau spürte, dass sie jede ihrer Bewegungen verfolgte.
Auf dem Weg zu ihrem Zimmer schwor Rebecca, sich
diese einzigartigen Wochen hier in Italien nicht mehr von einer einzigen Person
kaputtmachen zu lassen. Obwohl es wochentags war, nahm Rebecca ihren Rucksack
und machte sich auf zu einem Spaziergang den Canale Grande entlang. Die Luft
war lauwarm, die Sonne fast untergegangen. Die Dämmerung in Venedig war viel kürzer,
als Rebecca es aus Deutschland gewohnt war. Und so dauerte es nicht lange, bis
dass es dunkel war.
Nur von den Straßenlaternen erleuchtet, bekam die
Lagunenstadt ein ganz anderes Flair: Geheimnisvoll wirkte das alte Gemäuer,
romantisch die Gondeln, die verliebte Pärchen durch die dunklen Kanäle
schipperten.
Rebecca hatte nichts Besonderes geplant. Sie
wollte sich auch nicht weit entfernen. Daher schlenderte sie zur Piazza San
Marco, bestaunte die Palazzi im nächtlichen Schein und kaufte sich schließlich
ein Eis. Sie setzte sich auf einen Mauervorsprung und beobachtete das
abendliche Treiben auf dem Canale Grande. Manche Touristen hatten keine Kosten
gescheut, sich in einer beleuchteten Gondel der nächtlichen Romantik
hinzugeben.
Wieder dachte sie an Gregorio. Nie hätte sie
gedacht, dass zwei Tage ohne ihn, so lang sein würden. Wo war er nur?
Verbrachte er tatsächlich seine Nächte mit Emilia? Nach allem, was sie
miteinander erlebt hatten? Warum konnte
Weitere Kostenlose Bücher