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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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heute kann man den Ehefrust ganz anders kompensieren: Yoga, Urlaub auf den Seychellen, gutes Essen, eine Affäre, Abo in der städtischen Oper …«, begann Katalin.
    »Nicht zu vergessen: Scheidung«, fügte Zoe hinzu.
    »Auch eine prima Art, die Resignation zu beenden«, bestätigte Katalin.
    »Aber wenn Scheidung der Preis ist, dann kann ich das Heiraten doch gleich lassen«, sagte nun Zoe leise.
    In diesem Moment trat die Familie mit den fünf Kindern auf die Terrasse. Die Kids hatten auf ihrer Wanderung allerlei gesammelt – Stöcke, Steine, offenbar auch das Horn eines Tieres. Glücklich sprangen sie umher und zeigten alles ihren Eltern. Die Mutter schaute genau hin, während der Vater nur an seinem Organizer herumfummelte.
    »Mensch, der kümmert sich ja wirklich überhaupt nicht um seinen Nachwuchs«, schimpfte Julia.
    »Ja, sie macht alles allein«, meinte Katalin.
    »Bitter für die Frau«, ergänzte Sophie.
    Eine kurze Pause entstand. Dann sagte Zoe in die Stille: »Aber habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, was für eine Durchschlagskraft sein Sperma hat? Fünf Kinder. Das liest sich doch wie ein Empfehlungsschreiben.«
    Die anderen drei schauten sie mit großen Augen an.
    »Du würdest doch nicht …«, begann Julia.
    Zoe schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, keine Sorge. So tief würde ich niemals sinken.«

14
    Und dann geschah etwas.
    Sophie lungerte am Tag nach ihrer Wanderung am Außenpool herum – die Sonne schien warm, sie suchte sich einen Liegestuhl mit Blick auf den Rosengarten, das berühmte, zerfurchte Dolomiten-Massiv, und bestellte sich einen Prosecco auf Eis mit einem Schuss Holundersirup und einem Spritzer Zitronensaft. Es ging ihr gut. Bald gesellten sich Julia und Katalin dazu, sie rückten die Liegen aneinander und flachsten locker herum. Heute drehte sich alles um ihre Berufe. Es stellte sich heraus, dass Julia im richtigen Leben als Zugchefin bei der Deutschen Bahn arbeitete – »Nein, ich bin keine Schaffnerin! Ich bin so etwas wie der Kapitän des Schnellzuges. Außerdem achte ich darauf, dass du in der 1. Klasse immer schön deinen Kaffee serviert kriegst.« Sie konnte viele lustige Geschichten erzählen, besonders aus ihrer Zeit als Schlafwagenschaffnerin. »Da war ich noch jung und wollte Europa sehen. Als vermutlich einzige blonde Schlafwagenschaffnerin bekam ich mehr zu sehen, als mir lieb war.« Katalin schuftete als Ärztin in einem Uni-Klinikum, und wenn sie loslegte und von ihren Sechsunddreißig-Stunden-Schichten berichtete, dann überlegte man sich gut, ob eine Eigentherapie nicht manchmal sicherer war als eine Behandlung in der Klinik. Natürlich löcherten sie auch Sophie, wie es sich so lebe als Assessment-Psychologin. Von diesem Beruf hatten beide schon gehört, vor allem Schreckensgeschichten, natürlich. Eine Anekdote folgte der nächsten. So giggelte man sich durch den Nachmittag.
    Derart schnell und gedrängt lernte man sich nur im Urlaub kennen. Man hatte viel Zeit zu plaudern, fühlte sich schnell vertraut und glaubte am Ende tatsächlich, sich gut zu kennen. Doch Sophie machte sich nicht allzu viel vor. Am Ende blieben es doch Hotelbekanntschaften, es war ein vorübergehender Pakt. Vierzehn-Tage-Freundschaft-all-inclusive. War der Urlaub vorbei, blieb nicht viel. Womöglich traf man sich noch ein oder zwei Mal zu Hause, aber die kribbelnde Leichtigkeit der Urlaubstage war dahin.
    So schien es auch mit Julia, Katalin und Zoe zu werden. Nach wenigen Tagen glaubten sie, schon alles voneinander zu wissen, und wussten doch kaum etwas. Aber alle fühlten sich wohl, und es ging ihnen gut – und genau dazu war ja ein Urlaub da. Während Sophie ihren Holunder-Prosecco trank, übermannte sie plötzlich das Gefühl, Marienbrunn sei einfach ein schönes, altes Hotel irgendwo in den Bergen. Und hier lägen im Moment drei ganz normale Frauen am Pool, die ausspannen wollten. Einen Weibersommer genießen. Sie überließ sich diesem Tagtraum nur zu gern.
    Julia schaute auf die Uhr.
    »Es ist ja erst kurz nach vier. Wie langsam die Zeit hier oben vergeht – noch drei Stunden bis zum Abendessen. Was meint ihr, wollen wir einen kleinen Spaziergang machen? Dann entkommen wir auch den OP-Furien. Schaut mal, die nähern sich schon wieder.«
    Katalin, die einen schwarzen Bikini trug, der farblich zu ihrem Pagenkopf passte, und deren Arm mit der sportlichen Uhr faul von der Liege hing, während der Rest des durchtrainierten Körpers völlig entspannt dalag, nickte nur.

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