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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Welt? Als meine Eltern dann kurz hintereinander starben und keines meiner Geschwister das Sanatorium übernehmen wollte, bin ich eingestiegen und habe ein Hotel daraus gemacht. Ich habe das Wasser nie untersuchen lassen, ich will es nicht so genau wissen; es scheint nicht zu schaden, das reicht mir. Vielen Frauen hat die Quelle langersehntes Glück gebracht. Was mir allerdings Sorgen macht, sind Frauen wie Zoe …«
    »Frauen wie Zoe?«, hakte Sophie erstaunt nach.
    »Sie haben doch das kleine Labor in ihrem Zimmer gesehen. Zoe kommt jetzt schon das dritte Jahr. Die Zimmermädchen berichteten mir anfangs erschrocken von den Geräten. Inzwischen erleben wir das immer öfter – Frauen, die regelrecht getrieben sind von ihrem Kinderwunsch. Die wie besessen daran festhalten, egal, wie schlecht die Prognosen stehen. Es hat zu allen Zeiten Frauen gegeben, die nicht schwanger wurden. Als Kind habe ich öfter Frauen erlebt, die dieses Schicksal angenommen haben, so schwer es ihnen auch fiel. Heute denken alle, man könne noch etwas machen. Irgendein Experte wird es schon richten. Sie wollen das Schicksal regelrecht einklagen. Aber manche Dinge lassen sich einfach nicht hinbiegen, die kann man nur akzeptieren, so schwer es auch fällt. Ich weiß, ich habe als Mann gut reden. Trotzdem, es ist, als hätten diese Frauen den inneren Kompass verloren. Dann tun sie solche verzweifelten Dinge wie Zoe Hoffstedt heute.«
    Sophie griff sich die Obstlerflasche, entkorkte sie und goss ihnen beiden nach.
    »Und …«, fragte sie, als sie die Flasche wieder zukorkte, »… wie steht es um meinen inneren Kompass?«
    Sie prosteten sich kurz zu und tranken.
    »Der ist schon in Ordnung, da bin ich mir sicher. Vielleicht solltest du dir nur einen anderen Magneten suchen«, antwortete er leise. Ganz selbstverständlich war er zum Du übergegangen. Überhaupt wirkte die Umgebung plötzlich so, als habe jemand den Dimmer betätigt – schummriger, intimer. Die Waldluft roch würziger, die Sterne funkelten plastischer, und sogar die Wolldecke fühlte sich mit einem Mal weicher an.
    Einen anderen Magneten. Der Obstler machte sie mutig, sie fühlte sich verwegen. Wie damals, als sie noch geklettert war. Abends saß man am Lagerfeuer zusammen, es wurde kühl, und plötzlich kam man sich näher. Das war eine wilde Zeit gewesen. Wie sehr sie sie manchmal vermisste.
    Zoe hatte ihr heute gezeigt, wie schnell alles vorbei sein konnte. Dann blickte man zurück, alles Geschehene lief an einem vorbei, und man dachte: War es das? War das mein Leben? War das alles?
    Und aus einer Laune heraus zog Sophie den Kopf des Hotelchefs zu sich heran und küsste ihn sanft. Der Impuls war aus dem Nichts gekommen, sie war selbst von sich überrascht. Auch von Studnitz schien verblüfft zu sein und erwiderte den Kuss zögerlich. Wie aufregend andere Lippen waren, diese fühlten sich gut an, o Gott, was mache ich hier, schoss ihr durch den Kopf, er ist doch gar nicht mein Typ, und ich bin verlobt. Jetzt spürte sie seine Hand auf ihrem Rücken, nicht so zart wie erwartet, sondern unverkennbar männlich, sie suchte langsam den Weg nach oben. Nun war er bei ihrem Nacken angekommen und griff in ihr Haar; das Haargummi löste sich, er zog sie zu sich herüber und küsste sie – diesmal entschlossener.
    Oh, oh, dachte Sophie wieder. Was mache ich hier? Und doch wollte sie nicht, dass es aufhörte, oder besser gesagt: dass er aufhörte, denn sie fühlte sich plötzlich so lebendig. Das war ihr lange nicht mehr passiert.
    Ein Vogel schrie im Wald, sie hörten es beide. »Eine Eule«, murmelte von Studnitz. Zum ersten Mal konnte sie sein Gesicht trotz des Bartes lesen. Er sah glücklich aus, wirkte regelrecht befreit.
    Vergiss Berlin. Vergiss alle Probleme. Vergiss Johann.
    Sie konnte es nicht.
    Also hielt Sophie inne. Sie löste sich aus der Umarmung.
    »Was ist?«, fragte er besorgt. »Fühlst du dich unwohl?« Kein Draufgänger. Er schien sofort bereit, sich zurückzuziehen – zurück in sein Schneckenhaus, in seine spröde Nick-Knatterton-Schale.
    Sophie lachte. »Nein, nein. Vielleicht habe ich ein bisschen Hemmungen; ich gehe eigentlich nicht fremd. Überhaupt – sollte ich nicht zumindest deinen Vornamen kennen, bevor wir richtig knutschen? Oder gar …«
    Von Studnitz grinste. »Intim werden?«
    »Gott bewahre«, rief Sophie lachend aus.
    »Philipp«, antwortete nun von Studnitz.
    »Sophie«, sagte Sophie daraufhin.
    »Ich weiß«, murmelte er, »ich lese immer die

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