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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Augen die Welt. Eine Kröte hatte etwas Lauerndes. Niemand mochte sie anfassen, sie war schleimig, urwüchsig und unheimlich. Warum huldigten die Frauen ihr regelrecht? Sophie lief auf der Suche nach einem Hinweis die linke Wand ab. Der Raum erinnerte sie an eine Wallfahrtskapelle. Nur wurde hier nicht Maria gedankt, der Mutter Gottes, sondern einer großen Kröte.
    Ihr wurde kühl, das runde Fensterloch in der Rückwand lag direkt über der großen steinernen Kröte und schien offen zu sein. Es gab keine Scheibe zwischen diesem Raum und der Außenwelt, auch das wirkte archaisch.
    Sie kam sich vor wie in einer anderen Welt und hätte sich nicht gewundert, stünde sie jetzt in Indien oder in Mittelamerika. Auf ihrer Reise durch Chiapas in Mexiko hatte sie Unglaubliches gesehen: Hühner, die im Altarraum geschlachtet worden waren. Coca-Cola-Flaschen und Sponge-Bob-Figuren als Opfergaben vor dem christlichen Altar. Aber dies war Südtirol, Mitteleuropa. Hier gab es doch so etwas Urtümliches nicht, oder?
    Und während sie so vor den Wänden stand und rätselte, bemerkte sie plötzlich im Augenwinkel eine Bewegung. Erschrocken drehte sie sich um – das Plätschern der Quelle übertönte jedes Geräusch, aber tatsächlich, die Tür ging langsam auf. Nur ein einziger Mensch wusste, dass sie gerade hier war.
    »Laura?«, rief Sophie laut und versuchte, nicht allzu verängstigt zu klingen.
    Auf dem Boden sah man nun den Schein einer Taschenlampe. Dann einen Fuß, einen Männerschuh …
    »Herr von Studnitz«, sagte Sophie erleichtert.
    »Studnitz«, knurrte der. Sonderbar, dass so ein zarter Mann so knurren konnte. Er machte die Taschenlampe aus und schaute Sophie durchdringend an. Vielleicht diente sein Bart auch nur dazu, den Blick des Gegenübers von seinen Augen abzulenken. Er hatte eindrucksvolle Augen.
    Es war nun schon fast halb eins, aber Sophie rätselte keinen Moment, warum der Mann um diese Zeit hier aufkreuzte. Von Studnitz war so etwas wie der Herbergsvater, die tauchten immer, überall und zu jeder möglichen Uhrzeit auf. Das gehörte zu ihrem Job. Und auch von Studnitz sah nicht besonders überrascht aus, denn Sophie gehörte wohl zu der Sorte Gäste, die zu jeder möglichen Uhrzeit an den unmöglichsten Orten aufzufinden waren.
    »Laura hat Ihnen also den Schlüssel gegeben. Beim ersten Aufenthalt. Das ist früh«, sagte er knapp. Wie immer konnte sie ihn schwer einschätzen.
    »Ich glaube, das hat mit Zoe zu tun, mit ihrem …«, begann Sophie.
    »Natürlich hat es mit ihr zu tun. Ich habe Sie heute bei Zoe Hoffstedt auf dem Balkon gesehen, ich weiß, Sie waren da und haben ihr geholfen. Dafür wollte ich mich bei Ihnen bedanken.«
    Sophie winkte ab. »Das war ja nicht nur ich allein – Katalin und Julia haben viel mehr getan. Zoe packt das schon. Es war sehr ernst, aber nicht so bedrohlich, wie es zunächst aussah.«
    »Es ist immer ernst. Hier oben ist es immer ernst«, sagte er. Er zeigte auf ein einfaches Bild, auf dem das Hotel zu sehen war und unter dem stand: »Dank des Wassers habe ich überlebt. Danke!« Daneben hing ein Bild in düsteren Farben. »Es half nicht. S . E. 1972«, stand dort nur. Darüber eine Tafel, auf der eine kleine Hand ihren Abdruck hinterlassen hatte. »Mein Leonhard«, stand dabei.
    »Ich kenne jedes Bild im Raum, schon als Kind war ich gerne hier«, sagte von Studnitz.
    »Wo genau sind wir hier?«, fragte Sophie.
    »Dies ist eine Art Votivraum – hier danken die Frauen für das, was ihnen hier oben Gutes widerfahren ist. Das machen sie schon seit Jahrhunderten so. Allerdings danken sie nicht dem lieben Gott oder Maria voll der Gnaden. Sondern sie danken ihr.« Er zeigte auf die große Kröte, die Wasser spie.
    »Also, ich kann mich nicht erinnern, dass die Kröte in meinem Konfirmationsunterricht oder in der Bibel eine besonders große Rolle gespielt hätte«, gab Sophie zu bedenken.
    Studnitz musste grinsen. »Nein, da haben Sie recht. Das Krötensymbol ist noch älter, es stammt aus der Antike. Schon mal etwas von der Gebärmutterkröte gehört?«
    »Gebärmutterkröte – das klingt widerlich«, rief Sophie wirklich empört aus. »Also, ich habe keine Kröte, damit das klar ist.«
    Jetzt lachte von Studnitz, was richtig nett aussah. »Ja, es ist immer ein Schock für Neulinge.« Er stutzte kurz und schaute sie freundlich fragend an. »Haben Sie Lust, so spät noch ein Glas Wein mit mir zu trinken?«, sagte er. »Dann erkläre ich Ihnen das mit der Kröte. Oder sind Sie

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