Sommer mit Nebenwirkungen
Bildern tanzten nun immer wilder, wie in einem alten Comicfilm, der zu schnell abgespielt wird. Plötzlich hockte sich die Frau hin, raffte das Kleid etwas, und Sophie dachte im Traum noch erschrocken, die wird doch nicht … Da kroch eine Kröte unter dem Rock hervor.
Sophie schrie im Traum.
Da stand Mathilde Freud auf, hob die Hand und begann sanft über ihre Wange zu streichen und hörte nicht auf, sie zu liebkosen.
Langsam kam Sophie zu sich, und der Traum zog sich zurück. Der Schreck ließ nach, die Bilder begannen sich aufzulösen, und sie roch nun wieder das Hotelzimmer mit seinem starken Blumenduft. Dann spürte sie, wie echte Finger über ihre Wange strichen – sie kannte diese Finger, es waren die eines Mannes, und plötzlich war die letzte Nacht wieder da, diese unerwartet intime Begegnung mit Philipp. Wie weit waren sie gegangen? So ganz genau wusste sie es nicht mehr, es war wohl doch ein Schnaps zu viel gewesen. Offenbar weit genug, dass von Studnitz sich in sie verliebt hatte. Erst Blumen, und nun saß er an ihrem Bett und umgarnte sie. Das nahm alles eine falsche Richtung.
Mit geschlossenen Augen griff sie also seine Hand, die ihr schon so sonderbar vertraut vorkam, und flüsterte ganz leise: »Ach, Philipp.« Sie sprach den Namen schonend aus, sie würde mit ihm reden, ihn ernüchtern müssen. Dabei mochte sie ihn. Nur eben nicht so. Es war sonderbar, sie fühlte sich durch die letzte Nacht mit Philipp verbunden. Wild herumzuknutschen war eine sehr westliche Art des Freundschafsbeginns zwischen Mann und Frau, aber manchmal funktionierte diese Art tatsächlich.
»Wer ist denn bitte Philipp?«, antwortete Johann empört.
Sophie riss die Augen auf. Tatsächlich – niemand anders als Johann saß auf ihrer Bettkante. Sie schoss erschrocken hoch und spürte sofort einen furchtbaren Schmerz im Kopf, so als sei sie gegen ein Brett gerannt.
»Au!«, jaulte sie, ließ sich sofort wieder zurückfallen und massierte sich die Schläfen. Der Kater war da.
»Machst du hier oben wirklich eine Wasserkur? Oder unterziehst du dich einer intensiven Martini-Cocktail-Behandlung? Ich gehe mal zu deinen Gunsten davon aus, dass Philipp der Barmixer ist.«
»Genau, der Barmixer«, sagte Sophie matt. Sie versuchte die Augen zu öffnen, kam jedoch über ein bloßes Blinzeln nicht hinaus. »Wo kommst du so plötzlich her?« Sie rollte sich zur Seite und schob sich das Kissen so unter den Kopf, dass es den Schmerz ein wenig abpufferte. Dann öffnete sie vorsichtig die Augen. Tatsächlich – dort saß Johann. Er sah aus wie immer, die Haare gescheitelt und gegelt, das teure Sakko knitterfrei. Er trug keine Krawatte heute, sein Hemd war offen. Sollte wohl ein legerer Tag werden.
»Ich habe doch angekündigt, dass ich bald komme. Es gab noch einiges zu erledigen. Aber jetzt bin ich die Nacht durchgefahren … Was ist das für eine elende Bauernwiese, auf der man parken muss? Die hätte mich fast den Unterboden gekostet. Und dann holt mich noch so ein bärtiger Kauz ab, so ein Typ aus dem Gruselkabinett. Und als ich mich beschwere, nennt er meinen Sportwagen ein ›aufgetakeltes Scheißhaisl‹. Gut, Schwamm drüber. Ich bin ja jetzt hier.«
Er hielt jetzt ein paar Blätter in der Hand, Ausdrucke aus dem Internet, und wedelte damit vor Sophies Nase herum.
»Diese Sache mit dem Wunderwasser ist reiner Humbug. Studien besagen …«
Sophie hob die Hand und ließ ihn verstummen. Sie hatte ihm ohnehin nur halb zugehört – autsch, ihr Kopf dröhnte. »Keine Vorträge jetzt.« Langsam, ganz langsam versuchte Sophie sich aufzusetzen. Der Kopf rebellierte. Der Magen fühlte sich auch nicht gut an. Dieser verdammte Obstler. Statt Euphorie über ihr wildes Leben nur Übelkeit.
»Wie viel Uhr ist es?«, erkundigte sie sich.
»Kurz nach halb elf«, antwortete Johann.
»Ich brauche unbedingt etwas Herzhaftes zu essen«, flehte Sophie. »Lass mich schnell duschen, und wir treffen uns gleich unten im Speisesaal. Bestell mir doch schon ein Rührei mit ganz viel Tiroler Speck. Wirklich viel!«
»Du hast einen Kater«, diagnostizierte Johann.
»Ach, wirklich?«, kommentierte Sophie sarkastisch und hielt sich die Schläfen. Das Kopfdröhnen übertönte alles. Auch ihr schlechtes Gewissen. Sie hatte mit einem anderen Mann rumgemacht. Böses Mädchen.
Böses Mädchen? Ein Schreck durchfuhr sie. Der Verlobungsring! Sie trug keinen Verlobungsring am Finger, den hatte sie ja extra abgelegt.
Unauffällig zog sie die linke Hand von
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