Sommer mit Nebenwirkungen
jetzt spürten sie, dass sie diese Frau unterschätzt hatten. Sie mochte sich durchschnittlich anziehen, aber sie war wach. Hellwach.
»Was meinen Sie?«, fragte Julia verwundert. »Was ahnen wir nicht?« Sie zeigte auf den telefonierenden Mann, der sich überhaupt nicht um die Frauengruppe kümmerte. Die Kinder streichelten glücklich die Schafe, das jüngste allerdings saß inzwischen im Gras und spielte mit etwas, von dem Sophie nicht so genau wissen wollte, was es war.
»Sie haben es auf sein Sperma abgesehen, denke ich. Deshalb sind Sie mit ihm ins Bett. Fünf Kinder – das ist ja ein Empfehlungsschreiben. Wir waren schon öfter hier oben, ich weiß das längst mit dem Wasser. Frauen wie Sie …«, sie zeigte großzügig in die Runde, damit klar war, dass diese Rede an alle vier gerichtet war, »… plagt eine riesige Sehnsucht nach eigenen Kindern. Und dann haben Sie meinen Deppengatten ins Visier genommen und gedacht, da kann nichts schiefgehen.«
»Die Kinder sind ja auch wirklich süß. Und mir bleibt nicht viel Zeit«, rechtfertigte sich Zoe schwach.
»Tja, meine Damen«, sagte die Ehefrau nun genüsslich. »Keines der Kinder stammt von ihm.«
»Nicht?«, sagte Sophie erstaunt.
»Keines?«, echote Zoe perplex.
»Wie bitte?«, rief Julia aus.
»Gehen Sie etwa auch fremd?«, stammelte Zoe überrascht. »Aber mit wem denn? Die Kinder sehen sich doch alle ähnlich.«
»Ich habe ja auch immer den gleichen Spender. R2-D2. Laut Profil zur Zeit der Spermaspende ein junger, attraktiver, hochintelligenter Mann. Das ist zwar schon ein paar Jahre her, aber das Sperma hält ja eingefroren ewig. Wie Tiefkühlkost. Die Befruchtung lasse ich jedes Mal in einer privaten Klinik in Prag vornehmen. Gerne können Sie von mir die Adresse haben. Kostet allerdings einiges.«
»R2-D2 heißt doch der kleine Roboter aus Star Wars«, warf Sophie misstrauisch ein.
Die Frau winkte ab. »Egal, irgendeine Nummer hat er halt.«
Julia zeigte auf den Ehemann. »Aber warum? Läuft es mit ihm nicht?«
»Sein Sperma bewegt sich im Tempo der Kontinentaldrift. Mit dem werden Sie in hunderttausend Jahren nicht schwanger. Sorry«, sagte sie hämisch zu Zoe.
»Und er weiß das?«, fragte Zoe empört.
»Klar weiß er es. Er begleitet mich jedes Mal nach Prag, schaut sich dann die Stadt an, die Burg, das Nationalmuseum. Obwohl, meistens steht er auf dem Gang und telefoniert. Er telefoniert fast immer.«
»Mir hat er Hoffnung gemacht …«, begann Zoe.
Nachdenklich betrachtete die Ehefrau ihren Mann, der inzwischen wild gestikulierend über den linken Teil der Wiese schritt. Offenbar regte ihn etwas auf, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde.
»Das scheint seine Masche zu sein. Jetzt wird mir auch klar, warum er mit uns immer hier Urlaub machen will. Die Berge interessieren ihn überhaupt nicht. Ständig steht er hier auf der Wiese und macht Geschäfte. Trotzdem will er Jahr für Jahr wieder hierher. Wir sind schon das vierte Mal in Folge in Marienbrunn. Letztes Jahr kam es zu einigen sonderbaren Szenen mit anderen Frauen, die ich mir nicht erklären konnte. Seit ich das Foto gefunden habe schon. Übrigens nicht nur Ihres, auch andere, immer in den Betten von Marienbrunn …«
»Der Drecksack«, murmelte Zoe.
»Der Drecksack«, wiederholte die Ehefrau.
Zoe, die zarte, kleine Zoe, bebte vor Zorn. »Ich würde jetzt gerne einiges mit Ihrem Mann klären. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich an Ihren Gatten ein zweites Mal Hand anlege?«, fragte sie die Ehefrau höflich.
Die Ehefrau verstand sofort. Sie lächelte Zoe freundlich an. »Bitte, fühlen Sie sich frei. Ich habe nichts mehr mit ihm vor. Ich denke, es läuft auf Scheidung hinaus.«
Schnell kletterte Zoe über den Zaun und lief geradewegs auf den telefonierenden Ehemann zu. Der sah sie nicht kommen, da er sich weggedreht hatte. Sie suchte sich eine gute Position im Gras, auf der sie stabil stehen konnte, und klopfte dem Umwickelten von hinten auf die Schulter.
Ungehalten drehte der sich um und schob den Schal ein wenig nach hinten, um besser sehen zu können. Wahrscheinlich erwartete er seine Frau, die ihn mit einem Kinderproblem belästigte. »Mehr als 180000 sind einfach nicht drin …«, hörte man ihn noch sagen. Dann schnellte Zoes Knie nach oben und traf ihn mitten in seine Weichteile. Mit einem kurzen Aufschrei ging er zu Boden und krümmte sich. Das Wimmern danach wurde aber von seinem Schal gedämmt. Die Kinder bekamen zum Glück nichts davon mit, weil sie
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