Sommer mit Nebenwirkungen
Berlin.« Je öfter er das verlangte, desto sturer reagierte Sophie. Sie konnte gar nicht anders, ihr ganzer Körper verkrampfte sich.
Also versuchte sie es mit Sex. Aber auch das lockerte die Stimmung nicht auf. Dabei funktionierte es sonst immer. Es war wie verhext. Während Johann sie pflichtschuldig küsste, musste sie an die wilde Knutscherei mit von Studnitz denken, die dagegen deutlich prickelnder gewesen war. Und das, obwohl der Hotelchef nicht ihr Typ war. Sich daran zu erinnern machte ihr wiederum ein schlechtes Gewissen und hemmte sie. Irgendwie brachten sie es dann trotzdem zu Ende, aber gleich danach rollte sich Johann zur Seite, drehte ihr den Rücken zu und spottete: »So, und jetzt schön ab in die Kerze.«
Wie oft hatten sie im letzten Jahr allein zu dem Zweck miteinander geschlafen, ein Baby zu zeugen? Viel zu oft. Aber nie war Johann hämisch geworden wie heute. Das traf Sophie schmerzhaft. Ja, zugegeben, der Sex war berechnend gewesen. Aber doch nur, um seine Laune zu heben.
Sie setzte sich auf. »Ich verstehe nicht, warum dich ein bisschen harmloses Wasser so aufregt. Was stört dich so wahnsinnig daran, dass ich hier oben bin?«
Johann sah sie nicht an, setzte sich auf die Bettkante und zog seine Boxershorts an.
»Was mich stört? Ich weiß nicht, was als Nächstes kommt. Astro-Kanal in der Dauerschleife? Oder stapeln sich in unserem Loft Esoterik-Magazine, der Duft von Räucherkerzen durchzieht die Räume und setzt sich in meinen Anzügen fest, während du am Wochenende unterwegs bist, um deine Chakren zu suchen? Das hier oben ist Mittelalter, Sophie, finsteres Mittelalter. Wasser trinken, um fruchtbar zu werden – lächerlich! Die Frau, mit der ich verlobt bin, tickt nicht so. Doodle tickt nicht so. Wir haben in Berlin die beste Klinik ausgesucht, sind beim besten Arzt. Alles lief gut.«
Jetzt stand auch Sophie auf und zog sich wütend an. So wütend, dass sie mit ihrem Fuß am Slip hängen blieb und auf einem Bein hüpfend durch das Zimmer stolperte. Johann lachte nicht. Als sie dann endlich das T-Shirt übergezogen hatte, drehte sie sich zu Johann um. Als sei ihr jetzt erst klar geworden, was er gerade gesagt hatte.
»Alles lief gut?«, wiederholte sie. »Weißt du, was du da redest? Bist du noch bei Trost?«
Johann, der sich gerade seinen Pullover mit V-Ausschnitt über sein Poloshirt zog, winkte ab.
»Ja, ja, ich weiß schon, jetzt kommt die Fehlgeburt. Sophie, das Kind hat noch nicht mal richtig gelebt, es war so früh, das war mehr ein … ein Ding. Linsengroß, nicht mehr. Kein Herzschlag. Dr. Kemper sagt, die meisten Frauen stecken so eine frühe Fehlgeburt locker weg. Das passiert halt, ist Pech, aber mehr auch nicht. Kein Grund, so auszuflippen, wie du das jetzt tust.«
Johann holte tief Luft und atmete dann laut aus.
»Du enttäuschst mich, Doodle.«
Ein Paartherapeut hätte Sophie jetzt womöglich ermutigt, Johann von ihrer Erfahrung zu erzählen, von ihren Ängsten, dass diese frühe Fehlgeburt nur die erste in einer langen Reihe werden könnte. Dass es ihr erginge wie Zoe oder den vielen anderen Frauen, die sie in der Klinik erlebt hatte und die ein ums andere Mal scheiterten.
Das hätte sie Johann erzählen sollen. Aber stattdessen sagte Sophie: »Ich muss hier raus.«
»Dann bring mich zur Schafswiese, wo man Handyempfang hat. Ich muss dringend ein paar Telefonate machen. Das Leben da draußen geht weiter, Sophie. Wir können nicht alle auf dem Zauberberg sitzen, Däumchen drehen und Wasser trinken. Ich muss Geld verdienen.«
Vorher aber bestand er noch darauf, am Brunnenhaus vorbeizugehen, um einen Blick hineinzuwerfen. Tatsächlich war das Gitter heute abgeschlossen, aber das hielt Johann nicht davon ab, seine Hand durch die Gitterstäbe zu stecken und wie wild zu fotografieren. Als sei das Quellhäuschen ein Tatort. Dazwischen stellte er Fragen: »Wer hat den Schlüssel zu dieser Gittertür?«, »Wo kommt das Wasser her?«, »Wer füllt es ab?« Missbilligend nahm er zur Kenntnis, dass von Studnitz den Schlüssel besaß und das Wasser abfüllte. »Käme ich an den Schlüssel, könnte ich eine Probe von dem Wasser nehmen, wie es direkt aus dem Rohr fließt. Und es mit einer weiteren Probe des Wassers vergleichen, das man euch serviert. Vielleicht panscht Studnitz das Wasser mit einem Hormon oder einem Psychopharmakon.«
»Spinner«, murmelte Sophie.
»Du bist so naiv, Doodle. So naiv.« Zum wiederholten Mal ging er an den Gitterstäben entlang, dann blieb er
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