Sommer, Sonne, Ferienglück
ja nur 'n juter Rat … Aber sonst bleiben die kleben, als hätten se Teer unterm Hintern. Ick kenn dat.«
Theo hörte noch nicht einmal zu. Er hatte andere Sorgen.
Die Selbstmörderin …
Natürlich kann man sagen: Jeder ist für das eigene Schicksal verantwortlich. Aber schließlich, sie war ja so jung … Wie hatte sie geschrieben? »Es ist vorbei. Gott wird mir verzeihen …« Wegen irgendeinem Schlawiner? Außerdem: die ganzen Scherereien! Wenn sie ihren Plan tatsächlich ausgeführt und alles hinter sich gebracht hat, wenn sie sich auf eine Schiene gelegt – Moment, Schienen gab's ja Gott sei Dank hier nicht –, wenn sie sich aber von einer Brücke in einen Abgrund, von der Hafenmole in den See gestürzt oder – Gott verhüte es – sich mit Tabletten im Hotel umgebracht hatte, was war die Konsequenz?
Ärger! Und was für Ärger!
Als ob er nicht schon genügend Probleme am Hals hätte! Aber nein, es reichte ja offenbar noch nicht!
Bei einem Selbstmord kam die Kriminalpolizei ins Haus, italienische Polizisten würden nur so im Hotel herumwimmeln. Dann der Konsul, der Konsul aus Mailand natürlich. Oder gab's drüben in Brescia auch einen? Und die Leiche? Womöglich mußte man für einen Sarg sorgen? Wie schaffte man eine Leiche über die Alpen? Und dann auch noch nach Radwitz in Sachsen?!
»Über deinen Höhen pfeift der Wind so kalt«, sangen sie.
Ja, von wegen! Theo war es ganz schön warm.
Er stand auf.
Ein Glück, daß Michele d'Alessio vor soviel deutschem Sangesüberschwang noch nicht davongelaufen war. Aber der hatte es wieder mal mit Christa. Und auch sie ging freundlich wie selten mit ihm um, strahlte ihn geradezu an, und jetzt lachte sie und er legte den Arm um ihre Schulter. Auch dagegen hatte sie nichts. Sollten die Jungen sich wenigstens amüsieren.
Ein anderes Mädchen aber war in tödlicher Gefahr …
»Michele?«
»Oh, Signor Schmidle! Haben Sie etwas dagegen, daß ich mit Ihrer Tochter flirte?«
»Wie bitte? – Nein, nein, nein. Ganz im Gegenteil …«
»Siehst du!« grinste Michele d'Alessio zu Christa herab.
»Mein Vater übertreibt immer«, kicherte sie und tupfte die Augen trocken, denn die Haftschalen begannen meist am Abend Schwierigkeiten zu machen, und so waren sie schuld daran, daß sich das Bild ihres Vaters verschleierte. Aber trotzdem konnte sie erkennen: Theo war blaß und aufgeregt.
»Was ist denn?«
»Diese Kröppe oder wie die heißt, dieses DDR … – äh – Sachsen-Mädchen. Ich hab' dir doch gesagt, daß sie so 'nen komischen Brief geschrieben hat.«
»Das hast du gesagt. Aber ich hab' nichts kapiert.«
»Na ja, hier geht ja auch alles drunter und drüber. Aber die Lage ist wirklich ernst. Die will sich nämlich umbringen.«
»Verdammte Dinger!« Christa schloß gequält die Lider. Gleich würde sie sie rausnehmen, in den See schmeißen oder hier auf den Misthaufen. »Umbringen? Na, wieso denn?«
»Ach, das ist alles viel zu kompliziert.«
Am Tisch waren sie beim ›Brunnen vor dem Tor‹. Das: ›Da steht ein Li-i-indenbaum‹, kam einigermaßen anständig über die Rampe, melodisch gesehen, »da saß ich manche Stunde …«
»Ich kann dir das jetzt nicht erklären«, wehrte Theo ab. »Wir haben nicht die Zeit dazu. Ist alles viel zu kompliziert. Aber sie ist verschwunden. Und ich dachte …« Und dann erklärte er Michele d'Alessio, der mit gerunzelter Stirn lauschte, was er vorhatte: Man müsse das unselige, geistig verwirrte Geschöpf aufspüren. Man müsse es wenigstens versuchen, sie aufzuspüren. Jede Gegend verfüge schließlich auch über gewisse Plätze, die erfahrungsgemäß für Selbstmordkandidaten attraktiv seien. In Kirchberg sei das zum Beispiel die Schlucht beim Philosophenweg. Da wären schon vier runtergesprungen. Und drei davon Frauen …
»Also ich weiß nicht …«
Michele rieb sich unschlüssig das frischrasierte Kinn. »In Collano hat sich mal Francesco Girda aufgehängt. Im Kirchturm. Aber der war Rentner und Alkoholiker …« Außerdem, dies sei vor zwanzig Jahren passiert. Und die ganze Kriminalgeschichte beweise, daß Frauen anscheinend eine unüberwindbare Abneigung gegen den Strick als Freitod-Methode besäßen.
»Na schön, na schön … Dann fahren wir vielleicht am See entlang? An den Hafen. Oder über die Brücken. Eines jedenfalls schaff ich einfach nicht: hier rumzusitzen und Däumchen zu drehen. Das müßt ihr schon verstehen.«
Sie sahen sich an. Ob sie es verstanden, war nicht zu
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