Sommer, Sonne, Ferienglück
das also war es?«
»Ja«, sagte sie und trank ihr Glas leer. »Das war's, und war's auch dann. Am liebsten hätte ich ihm den Teller auf den Kopf geschlagen. Aber das konnte ich ja nicht in so 'nem Lokal. Aber ich fing an zu heulen. Und der Kellner kam mit Aspirin-Tabletten und fragte, ob ich Migräne habe. Dafür war der Helmut noch richtig dankbar und sagte, ja, ich hätte schreckliche Zahnschmerzen, und schleppte mich da raus, so schnell er konnte. Lieber Gott … auch das Herz kann Zahnschmerzen kriegen, nicht?«
»Ja.« Reinhold Sottka nickte mit Überzeugung. »Das kenn' ich. – Und dann?«
»Dann gab er mir zweitausend Mark. Für die Heimreise. Und damit ich mit meinem Onkel rede. Heulen und enttäuscht sein – gut, das begriff er. Aber daß ich ein solches Geschäft ausschlagen würde, das konnte er sich einfach nicht vorstellen. Ich fuhr aber nicht nach Radwitz, sondern hierher. Ich wollte schon immer mal an so 'nen italienischen See. Ich kenn' das ja nur aus dem Erdkunde-Unterricht. Auf der Fahrt hab' ich dann meinen Plan gefaßt. Der sollte nicht mehr schlafen können!«
»Und wie wollten Sie das erreichen?«
»Wie? Ganz einfach. Ich hab' ihm einen Abschiedsbrief geschrieben. Und darin steht, daß ich aus dem Leben scheiden werde …«
»Aha?« Reinhold Sottka war nun sichtlich beeindruckt. Dazu wäre Beate nicht in der Lage gewesen. Dazu war sie viel zu nüchtern.
»Aber«, kam es nun ganz leise aus dem warmen, von den Lichtpünktchen der Glühwürmchen durchkreuzten Dunkel, »das Schlimme ist, ich krieg' den Helmut nicht aus dem Kopf.«
»Das wird sich geben«, sagte Reinhold Sottka. »Muß sich sogar, denn derartige Zwangsvorstellungen mit sich herumzuschleppen, ratsam ist das nicht. Das führt nur noch zu weiteren Schwierigkeiten.«
»Zwangsvorstellungen? Da haben Sie aber wirklich recht. Das kann man schon eine Zwangsvorstellung nennen. Aber wie soll ich sie loswerden? Wissen Sie da auch 'nen Tip?«
»Keinen Tip – aber das Unterbewußtsein ist schließlich beeinflußbar, Irma. Ich darf Sie doch Irma nennen, nicht wahr?«
»Aber sicher.«
»Ich heiße Reinhold.«
»Aber sicher, Reinhold.«
»Also wie gesagt, es geht hier gewissermaßen um die Macht der Psyche, wenn ich so sagen darf. Ein großer Teil unserer Psyche besteht nun einmal aus dem Unterbewußten, von dem wir nur aus Träumen oder Zwangshandlungen wissen. Das Wachbewußtsein ist gewissermaßen nichts anderes als die Spitze des Eisbergs.«
»Ziemlich kompliziert, oder?«
»Oh nein, das ist ganz einfach. Es kommt nur darauf an, mit Hilfe dieses Wachbewußtseins tiefer bis zum Unterbewußtsein zu steigen.«
»Und wie macht man das?«
»Nun, das erste und das Allerwichtigste ist Entspannung. Die kann man selbst erzeugen, man kann sie aber auch durch andere herbeiführen lassen.«
»Auch noch durch andere? Und woher soll ich denn die anderen nehmen?«
»Nun, da sitzt ja jemand neben Ihnen, der etwas von diesen Dingen versteht.«
»Sie?«
»Ja, ich. Sehen Sie, ich habe zu Hause ein Institut – nun, nennen wir es mal eine Schule für alternative und fortschrittliche Bio-Therapie. Und dazu gehört natürlich in erster Linie auch die Berücksichtigung der ganzen psychischen Faktoren. – Aber ich will das gar nicht lange erklären. Es ist wohl besser, wir nehmen die Praxis. Es dauert gar nicht lange, und schon werden Sie erfahren, was ich meine …«
»So?«
»Ja, Irma.« Er stand auf, stellte sein Glas ab und nahm eine Position hinter ihrem Gartenstuhl ein. Sie saß kerzengerade und ein wenig unbehaglich.
Leise sprechen, sagte er sich. Du darfst das nicht so belehrend bringen, weicher, suggestiver …
Weich und suggestiv flüsterte er: »So. Wenn Sie vielleicht etwas den Nacken freimachen könnten? – Die Bluse etwas zurück. Hier, der Trapez-Muskel hat eine entscheidende Funktion. Er verrät sofort, wenn man sich seelisch verkrampft. Er muß locker sein. – Und nun, Irma, nun schließen Sie mal die Augen. Einfach die Augen schließen … einfach an nichts denken …«
»Einfach, sagen Sie? – Als ob so was einfach wäre.«
»Wird es aber«, versprach Reinhold Sottka mit dieser weichen und doch männlichen Stimme: »Gleich werden Sie es merken … Ja, da – hier, die Nackenwirbel …«
Da hatte er sie, die Nackenwirbel: Oh Gott, wie zart doch alles! Ein Flaumküken? – Sie war es wirklich!
»Immer die Augen zu halten. Und wenn die Gedanken kommen, einfach vorbeifließen lassen. Keiner darf
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