Sommer, Sonne, Ferienglück
erkennen. Aber schließlich legte Michele die Hand auf Christas Schulter und sagte: »Na gut, bis nachher. So lange kann's ja nicht dauern.«
»Ich komme mit.«
»Nein«, wehrte Theo entschlossen ab. »Einer von uns muß ja schließlich die Stellung hier halten.«
***
Steil und einsam stand der ›Rocca degli inamorati‹ über dem See. Mit seinen schwarzen Felswänden schien er noch düsterer als am Tag. Gleich neben dem Gipfel des Monte Baldo aber hing der Mond wie ein gewaltiges silbernes Amulett.
Am ›Rocca‹ gab's nun wirklich die ›Verliebten‹. Vier Wagen standen dort, einer am anderen. Darin geschah wahrscheinlich das, was Theo heute bereits auf dem Parkplatz des Mirtillo-Hofs erleben durfte. Darauf hatte er in seiner augenblicklichen Lage keinen Appetit.
Jedenfalls, war bei soviel südlichem Geknutsche der ›Rocca‹ nicht gerade als Platz für Selbstmörder geeignet.
Also wieder runter! Den See entlang. – Die Piazza konnten sie sich sparen. Was sollte dort auch geschehen? Doch am Ende der Piazza führte eine zweite Brücke über ein ausgetrocknetes Flußbett. Und die war ziemlich hoch.
Moment! – Dort, am anderen Ende, stand tatsächlich eine einsame Gestalt …
Theos Herz schlug bis zum Hals. Das war doch eine Frau?!
»Halt hier an!« sagte er.
»Meinen Sie …?«
Theo nickte.
»Und Sie sind sich sicher?«
Darauf gab Theo keine Antwort. Wie sollte er sich sicher sein?
»Bleib hier, Michele. Das ist besser so. Wir dürfen sie auf keinen Fall erschrecken. Ich geh 1 mal.«
Michele löschte die Scheinwerfer.
Vorsichtig, auf Zehenspitzen – tip-tap – näherte sich Theo der einsamen Silhouette …
***
Noch keine zweitausend Meter von der Brücke entfernt, die Theo gerade mit angehaltenem Atem, klopfendem Herzen und dem Drang, ein Menschenleben zu retten, überquerte, drüben, auf der Nordseite von Collano, stand eine weitere einsame Gestalt.
Wieder eine Frau. Sie stand im Mondlicht auf der Seeterrasse des ›Hotel Caruso‹. Es war die Gesuchte: Irma Kröppe.
Auch Irma näherte sich ein Mann. Nicht auf Zehenspitzen, sondern ziemlich lässig. In der rechten Hand schwang er eine Weinflasche …
»So!« Reinhold Sottkas Stimme hatte all ihre gequälte Nachdenklichkeit verloren, geradezu unternehmungslustig klang sie: »Haben wir denn Stühle? – Hier, der Gartensessel! Und die Flasche stell' ich gleich mal auf die Balustrade. Eine herrliche Nacht, nicht wahr?«
Es stimmte: eine herrliche Nacht! Irma Kröppe konnte nur nicken.
»Aus der Flasche brauchen wir auch nicht zu trinken. Hier, zwei Gläser. Sie kennen das doch: In vino veritas! Ist zwar ein ziemlich abgeklapperter Spruch, aber irgendwie – ja, irgendwie ist da viel dran. Ich meine, irgendwie ist es ganz gut, sich mit einem Glas Wein in der Hand der Wahrheit zu stellen. An sich trinke ich selten Alkohol. Dabei hätte ich ihn gut gebrauchen können in den letzten Wochen. Auch ich habe eine ziemlich schwere Zeit hinter mir. – Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann können Sie mir ja jetzt erzählen … Aber wie gesagt, erst mal ein guter Tropfen. – Also, prost!«
Er hob sein Glas. Und Irma das ihre. Sie waren nun nichts anderes als zwei dunkle Schatten auf einer vom Mondlicht eingewobenen Terrasse.
»Ist schon ein komisches Gefühl, ein Hotel so ganz für sich zu haben. Der Nachtportier ist übrigens ein ganz netter Kerl. Carlo heißt er, oder so ähnlich … Den Wein jedenfalls hat er mir empfohlen. Und das war nun wirklich ein guter Tip, finden Sie nicht?«
Reinhold Sottka versuchte, das Etikett zu entziffern, ›Pinot grigio‹ konnte er lesen, aber die Jahrgangszahl fand er nicht heraus.
Vor ihnen zog sich ein Silberstrom über das Wasser. Am anderen Ufer blinzelten zartgolden die Lichter der Punta San Vigilio. Und darüber die Sterne … Manchmal ein leises Plätschern, wenn sich eine Welle an einem Stein brach. Dann wieder Stille. Von Ferne das Summen der Automotoren, und ein Hund, der bellte.
»Ich finde es wunderschön«, sagte Irma Kröppe beinahe feierlich.
»Ja. Ist es auch. Eigentlich wollte ich ja in die Berge, aber ich bin geblieben … Alles so ruhig jetzt. Und die Nacht so lau. Ich könnte mir fast vorstellen, ein Leben lang hier zu sitzen und über den See zu gucken.«
»Ich auch.«
»Nicht wahr? Da sehen Sie's. – Aber wie war das vorhin mit dieser furchtbaren Enttäuschung? – Ich meine, wenn es Ihnen nichts ausmacht, können Sie mir's ja erzählen. Es tut manchmal gut, sich
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