Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heim
Vom Netzwerk:
Wisconsin.«
    »So?« sagte er. Er sagte es, um etwas zu sagen. Seine Hand krabbelte.
    »Robin heißt Rotkehlchen oder so ähnlich. Nun stell dir mal vor: Du wohnst in Rotkehlchen, USA.«
    »Und?«
    »Wie bitte?« Sie blickte ebenso verklärt wie erstaunt zum rechten Ufer, wo von einem Balkon eine Art Gobelin hing. Purpurrot war der und voll mit Wappen. Und so groß wie ein mittleres Reihenhaus in Kirchberg.
    »Die Gissi hat schon zwei Kinder. Aber was heißt das schon? Ich erzähl das überhaupt nur, weil die Kinder irgendwie mit Venedig zu tun haben.«
    »Haben viele …«
    »Nein, nein. Nicht was du meinst. – Sie hat ihren Ami deshalb geheiratet, weil er sie mal nach Venedig mitgenommen hat. Und auf Venedig war sie immer scharf.«
    »Was war sie?«
    »Naja, sie wollte immer mal hierher. Und er hatte ihr dann vorgemacht, sie könnten hier zusammen wohnen und leben und alles Mögliche, weil er doch Lehrer an der amerikanischen Schule sei. Na, meine Gissi hättest du sehen sollen. Die kriegte sich nicht mehr ein. Völlig weg war sie. Also wirklich … Aber ehe sie noch die Koffer packen konnte, um an den Canale Grande zu ziehen, hatten die von der ›American School‹ in Venedig ihren Mann rausgeschmissen und er mußte zurück nach Robin, Wisconsin. Und sie mit. – Ist das nicht eine Tragödie?«
    Er nickte.
    Vielleicht sah Michele gar nicht Gissis Tragödie. Sie eigentlich auch nicht. Was sie sah, war Wasser, auf dem sich die vornehmsten Hausfassaden spiegelten, Renaissance, Barock, dazu alles Frühere: Gotik, Byzanz, was es eben so gab. Und Marmortreppen. Und überall diese lustig bemalten Pfähle, an denen sie die Boote festmachten. Und alles zusammen so postkartenmäßig schön, daß man es gar nicht fassen konnte.
    »Die haben vielleicht Kunst hier«, flüsterte sie.
    Und er zog sie an sich.
    »Konzentriert haben die das wie Nescafe, oder?«
    Er lachte.
    »Was ist denn das?«
    »Die Rialtobrücke.«
    »Sieht aus wie – wie …«
    Aber sie wußte nicht, wie es aussah. Bei einzigartigen Dingen tut man sich schwer mit Vergleichen.
    »Wie wohnt denn deine Tante?«
    »Na, wie man halt hier wohnt.«
    »In einem Palast?«
    »Klar.«
    »Hm.« Christa stellte es sich vor: Tante Fiorella eine Freitreppe herabsteigend, nebst zum Handkuß ausgestrecktem Arm. Die würde sie nicht küssen. Da konnte sie schwarz werden. Nicht mal einen Knicks bekam die.
    »Du, haben diese Boote 'ne Toilette?«
    »Wieso?«
    »Na, wieso? Bei soviel Wasser. Irgendwie habe ich so das Gefühl …«
    »Brauchst du eine?«
    »Brauchen die Venezianer das nicht ständig, wenn's immer tropft und plätschert?«
    Er lachte. »Wir sind gleich da.«
    An sich war dieser ganze Canale Grande nichts als ein einziges, riesiges, blauleuchtendes ›S‹. Mit Sicherheit das prächtigste ›S‹ der Welt. Sie hatten jetzt den oberen Linksschwung erreicht, und im Scheitelpunkt zog sich wieder eine Brücke. Der ›vaporetto‹ tuckerte langsamer. Der ›vaporetto‹-Kapitän kurbelte schon wieder am Steuerrad. Der nächste Steg. Keinen ließ er aus.
    »Als ich noch klein war«, rief Christa, »hatten wir 'nen Zug von Kirchberg nach Freudenstadt. Der hielt auch praktisch an jedem Bauernhof und nahm die Milch mit. Jetzt haben sie ihn leider eingestellt. Das war genau so.«
    »So hat man doch mehr davon, piccola?«
    Das stimmte. Sein ›piccola‹ fand sie mit einem Mal richtig süß. Warum sollte sie nicht seine ›Kleine‹ sein? Wahrscheinlich braucht jeder Italiener eine ›piccola‹. Und wenn er keine findet, sagt er's halt zur Schwester …
    »Ponte della academia!« verkündete der Lautsprecher über ihrem Kopf.
    »Auf, raus!«
    Ein schnauzbärtiger Pirat in einer blauen Uniformjacke half Christa aufs Festland, doch dann wollte er ihre Hand nicht mehr loslassen. Und in seinen dunklen Augen tanzten kleine Sterne. Er lachte.
    »Paß nur auf!« warnte Christa. »Diese Venezianer sind glattweg verrückt nach mir.«
    »Ich auch.«
    »Gilt nicht. Du bist kein Venezianer.«
    »Hier rüber.«
    »Nein dort. Das Cafe.« – Da verschwand sie erst mal, während er Tauben betrachtete. Christa war froh, Festland unter den Absätzen zu spüren. Auch wenn Venedig genau genommen kein Festland war, solide fühlte es sich an.
    Als sie das Cafe verließ, stand er schon wieder an einem Kanal. Der war erheblich kleiner.
    »Komm!«
    »Schon wieder?«
    Christa starrte mit aufgerissenen Augen auf dieses sonderbare Ding, das eigentlich nicht wie ein Boot, sondern wie eine

Weitere Kostenlose Bücher