Sommer, Sonne, Ferienglück
allen irdischen Fährnissen durch das Wunder der Tantra-Meditation aufs Angenehmste getrennt, lächelte noch immer kindlich-blöde vor sich hin. Bis es Irma Kröppe zuviel wurde. Mit einem energischen Schlag in die kurzen Rippen beförderte sie Reinhold in die Wirklichkeit: »Der Bus brennt!«
»Wie? – Was?« stammelte Sottka. »Wie bitte …«
»Wie bitte?!« schrie Irma Kröppe. »Was heißt denn hier ›wie bitte‹? – Raus! Wir explodieren!«
Genau so sah's auch aus: Gestank, graue Wolken, rötliches Glimmen, kleine Flammen.
Aber die erloschen Gott sei Dank nun doch.
Der Studiendirektor Kienzle betrachtete nachdenklich die schwarzverkohlten Kabelstränge, die der abziehende Rauch freigab.
»Wissen Sie«, wandte er sich an Zafirelli, »an was mich das erinnert? An Spaghetti alla carbonara.«
Das wiederum fand Roberto nun überhaupt nicht witzig …
***
Venedig also! Christa und Michele in Venedig!
Venezia, ›la serenissima‹, die Wasserstadt, nein, die Königin des Meeres. – Wenn auch eine ziemlich angejahrte Königin.
Gerade dies steigert ja doch den Reiz.
Wer hat denn jemals ihren Anblick aufgenommen, ohne erst tief Luft zu holen und dreimal trocken zu schlucken: »Gibt's ja nicht, so was?!«
Was immer man von der ›serenissima‹, ihren abblätternden Reizen, den Gerüchen der Lagune und ihrem langsamen Absacken in dieselbe sagen mag: Sie bleibt, was sie immer gewesen ist, die Verkörperung des Unwirklichen. Oder, will man's umgekehrt haben: Die Bestätigung dafür, daß Menschen, falls sie nur verrückt genug sind, zu allen Zeiten fähig waren, auch noch ihre verstiegensten Träume zu verwirklichen, selbst dann, wenn sie dazu für jedes Haus, jeden Palast, jede Kirche, jedes Plätzchen, jede Gasse und jede Brücke Tausende von Eichenstämmen in den Lagunenschlick rammen müssen.
In der Wasserstadt bewegt man sich zu Wasser, falls man's eilig hat.
Man kann auch zu Fuß gehen. Aber das dauert. – Autos jedenfalls sind gestrichen.
Und was das Befahren der Kanäle angeht, auch hier gibt es Unterschiede.
Michele kannte Venedig. Und ob. Am Canale Grande wählte er ein ›vaporetto‹ der Linie 3, nichts Schnittiges, richtig gemütlich und miefig wie eine alte Straßenbahn. Er erwischte auch noch eine der Sitzbänke ganz vorne am Bug: Feuchtes Holz, unbequem, das schon, aber im Grunde so wertvoll wie ein Opernlogensessel.
Der Bootsmann pfiff, die Leine klatschte, der Diesel des kleinen Motorschiffchens hustete verdrossen – und es ging los.
Canale Grande – Vorhang auf!
Zunächst saß sie stumm: Christa wortlos.
Dann drehte sich der Kopf, nach vorn, nach rechts, nach links, nach hinten, nun hielt sie's nicht länger auf dem Platz, sprang auf, und er mußte sie festhalten, und es waren nicht nur die Augen, sondern auch der Mund weit offen.
Und dann, ja dann fiel sie einfach zurück. Es war zuviel.
»Mensch, Michele, das ist vielleicht Kino! Das heißt, stimmt ja gar nicht, das ist mehr Kino als das Kino selber.«
Derart komplizierte Überlegungen auch noch auf italienisch – kein Wunder, daß Michele nicht begriff.
»Guck mal! Da drüben, der Palast links, das ist der Palazzo Calergi. Weißt du, wer da drin gestorben ist? Richard Wagner.«
Na und? Was interessierte sie das? Den Canale Grande gab's schließlich schon vor Bayreuth. Obwohl, hier war eigentlich alles Wagner. Es gab Pathos, Dramatik, dazu noch Heiterkeit. Auf die Mischung kam's an. Und die war wirklich einzigartig!
Paläste und Marmor, Marmor und Paläste. So unglaublich, daß dir das Herz in den Hals rutscht.
Ohne so recht zu wissen, was sie tat, kroch Christas Hand über das glitschige Holz der Bank Micheles Hand entgegen. Die faßte sofort zu. Vielleicht war das einfach Instinkt oder so was, jedenfalls, es tat gut. Vor allem, wie er den Daumen über ihren Zeigefinger schob, hin und her. Christa fand, daß alles irgendwie zusammenpaßte: Micheles Daumen, der blaue Himmel, das blaue Wasser, all die wunderschönen Häuser und Gebäude, die da vorüberzogen, die lachenden Leute auf dem Schiff und am Ufer.
»Also, weißt du was?« sagte sie überwältigt. »Jetzt kapier ich endlich die Gissi.«
»Was kapierst du?«
»Die Gissi!« schrie sie.
»Wer ist denn das?«
Ein Canale Grande ist schon ziemlich laut. All das Tuckern und Dröhnen, das Hupen, das Tuten, das Geplätscher der Wellen natürlich auch …
»Meine beste Schulfreundin. Heute, heute ist sie verheiratet. In Amerika. In Robin,
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