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Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith W. Taschler
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gewesen.
    Mein Vater ist lange Zeit Bürgermeister gewesen und es hat ihn immer gewurmt, dass er keinen Buben hat, dem er den Hof übergeben kann. Er hat gehofft, dass er wenigstens einen ordentlichen Schwiegersohn abkriegt, einen, der was hat und der was darstellt im Tal. Das hat er oft genug gesagt! Der Toni hat nichts besessen, also nichts mit in die Ehe gebracht, und im Dorf ist er nur der Dahergelaufene gewesen, der Stadtler, der halt eine Erbin schwängert, damit sie ihn heiraten muss. Am liebsten wäre ihm der Ennemoser Karl gewesen, mit dem Toni ist er nicht zufrieden gewesen, überhaupt nicht, er hat ihn nur herumkommandiert und sekkiert. Der Toni wollte von Anfang an auf Gäste umstellen, aber mein Vater hat es uns verboten, er hat sich gegen jede Modernisierung gewehrt. Die zwei haben sich richtig gehasst, den ganzen Tag hat mein Vater mit ihm gekeift und ihn vor anderen Leuten lautstark heruntergemacht. Der Toni hat sich verschlossen, auch mir gegenüber, und ist mit einer Verachtung im Gesicht auf dem Hof herumgerannt und hat halbherzig seine Arbeit gemacht.
    Einmal, da ist die Martina schon auf der Welt gewesen, ist mein Mann mit der Axt auf meinen Vater losgegangen und der hat dann die Gendarmen geholt. Der Toni hat seine Sachen gepackt
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und ist nach Innsbruck gefahren und hat eine Stelle als Versicherungsvertreter angenommen. Er ist nur am Wochenende heimgekommen, aber auch nicht immer. Wir brauchen das Geld, hat er gesagt, der Hof wirft nicht genug ab, aber das ist nur eine Ausrede gewesen, er hat’s daheim nicht mehr ausgehalten. Natürlich habe ich gemerkt, dass er unglücklich gewesen ist! Mir ist es auch nicht gut gegangen, ich habe jeden Moment erwartet, dass er zu mir kommt, die Scheidung verlangt und auf und davon geht. Eine Scheidung hätte ich nicht akzeptiert, so was hat’s im Dorf einfach nicht gegeben! Bis dass der Tod uns scheidet, das haben wir dem Herrgott gelobt.
    Aufwärts zwischen uns ist es im Frühling 1970 gegangen, mit einem Schlag. Der Vater ist im Jänner gestorben, und ein paar Wochen darauf hat der Toni endlich den Vertreterjob in Innsbruck gelassen und ist heimgekommen. Er hat zu mir gesagt: Komm, lass uns den Viehbetrieb reduzieren und auf Gäste umstellen!
    Einige im Dorf haben das schon gemacht oder sind gerade dabei gewesen. Mir hat die Idee sofort gefallen und die Baugenehmigung haben wir auch schnell gekriegt. Also haben wir das Haus nach hinten vergrößert und zwei Stockwerke voller Gästezimmer gemacht. Im Herbst 1971 sind dann die ersten Gäste gekommen. Die Bauernschaft haben
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wir von hundert Stück Vieh auf sechzig reduziert. Ganz aufgeben wollten wir sie nicht, besonders ich nicht. Man hängt ja dran, das ist ein Stück Heimat!
    Am Anfang ist natürlich alles sehr einfach gewesen, aber den Leuten hat’s gefallen. So viel Luxus hat man sich gar nicht erwartet, es ist mehr die persönliche Betreuung gefragt gewesen. Mit den Leuten reden, mit ihnen Pilze suchen gehen, ihnen den Stall zeigen, Rezepte austauschen, mit ihnen musizieren, das haben die gewollt! Ich habe in meiner Küche das Frühstück und das Abendessen gerichtet und mit dem Servierwagen in den kleinen Speisesaal rüber gebracht. Ja, die Kinder haben von Anfang an mithelfen müssen, das wäre gar nicht anders gegangen, Personal hätten wir uns nicht leisten können.
    Doch, das Geschäft ist gut gegangen und mir hat es gefallen, die Arbeit mit den vielen verschiedenen Menschen. Der Toni ist auch so richtig aufgeblüht. Die Zeit ist eigentlich am besten gewesen, meinetwegen hätte es so bleiben können. Aber der Toni ist nicht mehr zu bremsen gewesen. Er hat noch einen Kredit aufgenommen und den Schlepplift oberhalb vom Hof, am Dawislhang, gebaut. Er hat Schikurse, speziell für Kinder, organisiert, das hat’s ja zu der Zeit noch kaum gegeben! Die Zimmer haben wir umgebaut und vergrößert, und in jedes ist ein eigenes Bad mit Klosett hineingekommen. Wir sind Sommer wie Winter jedes Jahr ausgebucht gewesen.
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Meine Mutter ist 1976 gestorben, im Schlaf. Dass der Toni den alten Gasthof vom Ennemoser gekauft und zu einem Hotel mit Hallenbad und Saunabereich umgebaut hat, das hat sie nicht mehr erlebt. Gott sei Dank hat sie’s nicht mehr erlebt, weil gefallen hätte ihr das nicht!
    Das ist vor sechs Jahren gewesen, und seitdem ist er so richtig in seinem Element. Er ist auch im Gemeindeausschuss und noch bei ein paar anderen Sachen dabei gewesen, das hat er gebraucht, immer überall dabei

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