Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith W. Taschler
Vom Netzwerk:
Er ist der große Mysteriöse in dem Fall gewesen.
    Und überhaupt ist ihm die ganze Sache doch ein bisschen eigenartig vorgekommen. Immer wieder sind welche ausgewandert, einfach abgehauen, von einem Tag auf den anderen. Meistens sind es Männer gewesen, die ihre Familien im Stich gelassen haben, weil sie mit der Situation nicht mehr fertig geworden sind, viele von ihnen haben auch eine
[128]
Menge Schulden gehabt. Aber irgendwas hat da nicht gestimmt, hat der Angermair zu mir gesagt. Die Kollegen haben ihn schon ausgelacht, weil er sich so reingesteigert hat, wie der Fall abgeschlossen worden ist.
    Aber die Frau Kofler, die auf mich aufgepasst hat, wie Paulina wieder arbeiten hat müssen, hat ihm damals erzählt, dass sie wie eine italienische Mamma gewesen ist und dass der Bub ihr Ein und Alles war. Und deswegen ist ihm das Ganze so komisch vorgekommen.
    Er hat mir zum Schluss ein Foto gegeben, das ist im Akt gewesen und die Polizei hat es von der Frau Kofler bekommen. Da sitzt Paulina auf einem Sofa und hat mich auf dem Schoß und beide lachen wir in die Kamera.

[129]
Therapiegespräch im Februar 1990
Dr. Z. und Alexander Sommer
    Ich bin nach drei Monaten wieder nach Innsbruck gefahren und zur Wohnung gegangen, bin aber nicht lang geblieben. Gott sei Dank ist der alte Berger nicht da gewesen, sondern nur sein Neffe und der hat sich gleich an mich erinnert. Er ist mit einer Bierflasche da gestanden und hat mit mir gequatscht. Er hat mich gefragt, wie das ist, wenn die eigene Mutter abhaut und man bei fremden Leuten aufwachsen muss. Ich habe nichts gesagt, was hätte ich sagen können? Dass es nicht schön ist?
    Ich habe nur mit den Schultern gezuckt, und auf einmal sind ihm Tränen runtergeronnen und er hat gesagt, dass ihn seine Frau wegen einem anderen verlassen hat und die zwei Kinder mitgenommen hat. Sie wohnt jetzt weit weg und er sieht seine Kinder praktisch nie. Ich habe gar nicht gewusst, was ich sagen soll.
    Danach habe ich den Angermair besucht, und übernachtet habe ich bei der Martina. Der Angermair und seine Frau haben sich gefreut, dass ich gekommen bin. Sie haben mich zum Essen eingeladen und gefragt, ob ich bei ihnen übernachten will. Mit dem Angermair habe ich sehr viel über meine
[130]
Mutter gesprochen. Ich habe das einfach gebraucht, ich bin so gierig drauf gewesen, dass ich mehr über sie erfahre.
    Ich habe ihn zum Beispiel gefragt, wieso die Polizei nicht im Ausland nach ihr gesucht hat, und da hat er gesagt: Weißt du, Paulina hat keine Familie gehabt, die dahinter gewesen ist, dass sie gesucht wird. Und außerdem, wieso hätte die Polizei sie suchen sollen? Alles hat darauf hingedeutet, dass sie ausgewandert ist. Und dass sie das ohne ihr Kind tut, da ist sie ja nicht die Erste gewesen, die so was macht, nur hat’s in deinem Fall halt keine Verwandten gegeben, die das Kind nehmen. Der Fall ist schon nach ein paar Wochen abgeschlossen gewesen, das ist die Order von oben gewesen.
    Der Angermair hat mir ein paar Sachen vom Akt vorgelesen, Sachen, die von den Arbeitskollegen oder von der Tagesmutter ausgesagt worden sind. Meine Mutter hat ein Jahr nach der Geburt wieder anfangen müssen zu arbeiten, das ist damals so gewesen. Ich bin dann immer bei der Frau Kofler gewesen, sie ist eine frühere Arbeitskollegin gewesen, die jetzt selber ein kleines Kind gehabt hat.
    Paulina hat eigentlich nie über ihren Freund geredet, nur einmal hat sie erwähnt, dass es ihr finanziell gut geht, weil er ihr genug Geld gibt jeden Monat, dafür hat er verlangt, dass in der Geburtsurkunde sein Name nicht aufscheint. Viel hat sie nicht geredet,
[131]
die Frau Kofler beschreibt sie als unglücklich, scheu und eigenbrötlerisch und sehr auf den Buben bezogen. Arbeitskollegen haben ausgesagt, dass sie manchmal in Restaurants und Bars angefragt hat, ob sie nicht eine Sängerin für bestimmte Abende brauchen, aber sie ist überall abgelehnt worden.
    Dann hat mir der Angermair auch von James Meyer erzählt.
    Weil Paulina gewusst hat, dass ihr Freund nicht zu ihr zurückkommt, wollte sie von Innsbruck weg und auswandern und zwar nach San Diego in Kalifornien, weil da ein ehemaliger Freund ihrer Mutter gelebt hat, mit dem sie immer noch in Briefkontakt gestanden ist, und der hat sie zu sich eingeladen. Er hat geglaubt, er kann so eine alte Schuld wiedergutmachen.
    Er ist ein einsamer Mann gewesen und wollte Paulina wirklich helfen und sie hat sich auf ihr neues Leben im warmen Kalifornien gefreut und ihre ganze

Weitere Kostenlose Bücher