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Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith W. Taschler
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Hoffnung auf den alten Mann gesetzt. Einmal hat sie zu einer Kollegin aus der Küche gesagt: Er wird mir wie ein Papa sein und meinem Buben wie ein Opa.
    James Meyer ist Soldat gewesen im Krieg und hat Alessandra als junge Sängerin in Bozen kennengelernt. Obwohl er in Kalifornien verheiratet gewesen ist, haben die beiden eine Beziehung gehabt, und Alessandra hat gehofft, er wird sie mitnehmen nach
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San Diego. Er ist dann nach dem Krieg abgereist, ohne sich zu verabschieden, und viele Jahre später hat er ihr einen Brief geschrieben, da ist er Witwer gewesen, aber da war Alessandra schon verheiratet und hat in Steinach gelebt. Sie haben sich aber trotzdem hin und wieder geschrieben. Und später hat ihm Paulina geschrieben.
    Die Polizei in San Diego ist natürlich verständigt worden, aber bei James Meyer ist sie nicht aufgetaucht, auch einige Monate später nicht, da hat ihm der Angermair noch mal geschrieben. Die Polizei hat angenommen, dass es sich Paulina doch anders überlegt hat und woanders hingezogen ist, vielleicht nicht in die USA , sondern in ein anderes Land. Sie hätte überall sein können.
    Und deshalb ist der Fall abgeschlossen worden und für mich, den Buben, hat das Jugendamt Pflegeeltern gesucht.

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Therapiegespräch im Februar 1990
Dr. Z. und Alexander Sommer
    Drei Monate ist das jetzt her, ja, es ist im November gewesen. Da habe ich mich – plötzlich an was erinnern können, ich weiß nicht wieso auf einmal, vielleicht auch wegen dem Alkohol oder wegen dem hohen Fieber.
    Ich bin von daheim abgehaut, habe es nur der Manu gesagt, und bin nach Innsbruck gefahren. Schon im Bus habe ich mich fiebrig gefühlt und mein Husten ist so schlimm gewesen, ich habe gewusst, ich sollte eigentlich umdrehen. Ich habe aber nicht umgedreht, ich habe wieder in die Wohnung hinmüssen, wie eine Sucht ist das gewesen.
    Normalerweise habe ich bei der Martina übernachtet, aber dieses Mal hat die Martina nichts davon gewusst. Ich habe ein paar Sachen zum Essen und Trinken eingekauft, auch Alkohol, ja, eine Flasche Rum, den habe ich dann mit Cola gemischt, und bin sofort zum Fürstenweg gegangen.
    Es hat mich hingezogen, weil es mir so bekannt vorgekommen ist und weil ich mich in dem Raum wohlgefühlt hab. Jedes Mal, wenn ich dort gewesen bin, sind in mir kurze Erinnerungen hochgekommen, so – so fetzenartig ist das gewesen. Einmal
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habe ich mich erinnert, dass ich ganz wild im Schaukelstuhl geschaukelt habe, und einmal, dass ich im Bett liege und sich wer über mich beugt, jemand, der gut riecht und mir was vorsingt. Es muss meine Mutter gewesen sein, aber an ihr Gesicht habe ich mich nicht erinnert.
    Weil es ein Samstag gewesen ist, ist niemand in der Werkstatt gewesen. Aber in die Wohnung habe ich über die Außenstiege reinkönnen, und das Türschloss war ja kaputt.
    Den ganzen Tag lang bin ich in der Wohnung gewesen und die Nacht und den nächsten Tag auch noch. Ich bin einfach so dagelegen und dann bin ich wieder rumgegangen. Den großen Raum auf und ab. Ich habe mich gezwungen, mich an was zu erinnern. Ich habe mich so krank gefühlt und fiebrig, heim wollte ich aber trotzdem so schnell nicht. Dann habe ich mich total betrunken. Wieso? Ich weiß es nicht, vielleicht weil ich sauer gewesen bin, dass keine großartigen Erinnerungen gekommen sind.
    Ich bin auf dem Rücken gelegen, stockbetrunken, und habe geflennt wie ein kleines Kind: Erinner dich, erinner dich, na, komm schon, erinner dich wenigstens an ihr Gesicht. Und dann bin ich weggetreten, so besoffen und gleichzeitig heiß vom Fieber bin ich gewesen, vorher habe ich noch gekotzt. Es ist komisch, ich kann es gar nicht richtig
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erklären, aber ich habe dann wirklich geträumt, ganz wirr.
    Ich habe von ihr geträumt, von meiner Mutter, wie sie im Schaukelstuhl sitzt, leicht vor- und zurückwippt und liest. Ich liege im Bett und kann nicht schlafen und beobachte sie heimlich durch den Spalt der zwei Vorhänge, die vor meinem Bett aufgehängt sind, weil es ja keine Wand gibt. Später muss ich doch eingeschlafen sein, aber irgendwelche Geräusche wecken mich auf und ich merke, dass noch jemand in der Wohnung ist. Ich schaue durch den Spalt durch und sehe von hinten einen großen Mann, und nach einer Weile sehe ich, dass er die Hände um ihren Hals gelegt hat, dass er meine Mutter würgt. Es ist wie in meinem Albtraum gewesen, den ich als Kind immer gehabt hab. Mir ist im Traum heiß und kalt gleichzeitig geworden und ich habe zu schreien

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