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Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith W. Taschler
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es nicht so leicht wie für dich. Dein Mann ist immer dein Mann gewesen, aber der Vater ist vorher nie mein Vater gewesen.

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Therapiegespräch im Februar 1990
Dr. Z. und Alexander Sommer
    Nein, eigentlich habe ich Weihnachten nie mögen und jetzt werde ich es wohl für den Rest meines Lebens nicht mehr mögen.
    Im Advent sind immer die Emotionen hochgegangen und die Eltern haben da immer am meisten gestritten. Sie sind in der Zeit so extrem gestresst, weil’s da noch mehr Arbeit gibt. Die Mutter hat jeden Nachmittag wie eine Verrückte Kekse gebacken, und Anfang Dezember hat sie das Haus und die Pension auf Hochglanz bringen und weihnachtlich schmücken müssen. Das Haus ist voller Gäste gewesen, ja, über Weihnachten sind Gäste da, und am 24. am Abend sind wir mit ihnen gemeinsam um den Christbaum gestanden, haben gemeinsam gegessen und sind mit ihnen in die Mette marschiert. Den Gästen hat’s gefallen, aber uns Kindern überhaupt nicht. Jeder Gast hat ein Sackl mit selber gemachten Keksen von der Mutter bekommen. Dafür haben wir den ganzen Dezember ihren Grant aushalten müssen.
    Der vergangene Dezember ist noch furchtbarer gewesen als alle anderen davor. Im Haus ist nur dicke Luft gewesen, seitdem wir alle gewusst haben,
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dass der Vater mein richtiger Vater ist. Niemand hat sich getraut darüber zu reden, alle haben uns zwei so behandelt, als wären wir rohe Eier. Ich habe vor allem die Mutter nicht verstanden, wieso sie ihn nicht zur Rede stellt, wieso sie ihn nicht anschreit und vor die Tür setzt, wenigstens für eine Weile. Er hat sie ja betrogen! Dann hätte er mal um was betteln müssen. Aber sie hat es nicht getan, sie war mit ihm immer eher unterwürfig und irgendwie so – so verschreckt, als würde sie sich ihm gegenüber minderwertig fühlen. Dabei ist sie ja die Hoferbin damals gewesen! Aber das hat er immer gut können, dass man sich neben ihm minderwertig fühlt.
    Nur die Manu hat ihn, wie ich mit dem Foto gekommen bin, direkt angesprochen. Sie hat gesagt: Das ist ja das Foto von meiner Taufe. Wieso hat Alex’ Mutter das Foto von meiner Taufe gehabt? Der Vater ist so grau im Gesicht gewesen und hat sich auf einen Stuhl gesetzt. Sie hat ihn eine Weile angeschaut und dann gesagt: Heißt das, du hast sie gekannt und ihr das Foto gegeben und heißt das, du bist der Vater vom Alexander? Er hat ganz lang nichts gesagt.
    Die Mutter hat ganz nasse Augen gehabt und gesagt: Toni, sag doch was! Und dann hat er leise gesagt: Sie hat mir einmal heimlich das Foto aus der Geldtasche genommen, weil sie unbedingt wissen wollte, wie meine Familie aussieht. Und dann hat
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er gesagt: Ja, ich habe eine Affäre mit ihr gehabt und ich bin der Vater vom Alexander. Er hat mich angesehen und wollte nach meiner Hand greifen, aber ich habe sie weggezogen.
    Die Manu ist aufgesprungen und hat geschrien: Ich glaub’s einfach nicht, wir sind Halbgeschwister und wissen es nicht mal, weil du dein Maul nicht aufbringst, du verlogenes – ! Sie ist hinausgelaufen und ich bin ihr nachgelaufen, aber ich habe sie nicht erwischt, weil sie auf ihrem Moped davongefahren ist. Ich bin dagestanden und habe ihr nachgebrüllt und der Vater ist aus dem Haus gekommen und zum Hotel rübergegangen, na ja, mehr gewankt als gegangen ist er. Er hat mich nicht angeschaut.
    Dann haben wir tagelang nicht mehr über die Sache geredet und die Manu ist daheim nicht mehr aufgetaucht, sie wohnt ja seit Oktober in Vent, erst am 24. ist sie wiedergekommen.
    Wie es mir gegangen ist? Ich habe mich so eigenartig gefühlt und viele verschiedene Gedanken und Gefühle gehabt. Ich habe mich gar nicht darüber freuen können, dass ich jetzt gewusst habe, wer mein leiblicher Vater ist. Ich – ich habe nur Gleichgültigkeit gespürt, es ist mir wurscht gewesen, dass ich wirklich sein Sohn bin, ich wollte nur meine richtige Mutter finden oder wissen, was damals passiert ist. Und dann bin ich wieder so wütend auf ihn gewesen, ich habe ihn gehasst, weil er uns alle
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jahrelang angelogen hat und weil ich nicht als sein richtiger Sohn habe aufwachsen dürfen, nur damit er im Dorf nicht als Ehebrecher dasteht. Gleichzeitig wollte ich gar nicht sein richtiger Sohn sein, weil er mir einfach so zuwider gewesen ist und ich mich ihm nicht ähnlich gefühlt hab. Der Angermair hat mich angerufen und ich habe ihm alles erzählt. Er hat es zuerst nicht glauben können.
    Der Vater hat mich mehr und mehr eingespannt. Kaum bin ich im Stall fertig gewesen, habe

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