Sommerbuch
Schlaftabletten .«
»Armer Vater«, seufzte Sophia. »Eben noch davongekommen.«
Und so war es. Er hatte bis zum Abend Kopfschmerzen und konnte weder essen noch arbeiten.
Der Besuch
Sophias Vater schüttete den Kaffeegrund aus und trug die Blumentöpfe auf die Veranda.
»Warum macht er das denn ?« fragte die Großmutter, und Sophia sagte, daß die Pflanzen sich draußen wohler fühlten, während er weg sei.
»Wo, weg ?« fragte die Großmutter.
»Eine ganze Woche«, antwortete Sophia. »Und wir sollen bei jemandem wohnen, bis er wiederkommt, auf einer Insel, nicht so weit draußen .«
»Das habe ich nicht gewußt«, sagte die Großmutter. »Mir hat das niemand gesagt .« Sie ging ins Gästezimmer und versuchte zu lesen.
Natürlich, einen Blumentopf stellt man dorthin, wo die Pflanze am besten gedeiht, auf der Veranda schafft sie es eine Woche. Wenn man lange weg ist, muß man sie bei jemandem unterbringen, der sie gießen kann, das ist mühsam. Sogar für Blumentöpfe hat man Verantwortung, wie für alles andere, was man übernimmt, und was allein keine Entschlüsse fassen kann.
»Kommt essen«, schrie Sophia hinter der Tür.
»Ich bin nicht hungrig«, sagte die Großmutter.
»Ist dir übel ?«
»Nein«, sagte die Großmutter.
Es stürmte und stürmte. Auf dieser Insel tat es das immer, einmal aus der einen, dann aus der anderen Richtung. Ein Zufluchtsort für einen, der arbeiten möchte, ein wilder Garten für den, der wächst, und im übrigen nur Tage, die sich aneinanderreihen, während die Zeit vergeht.
»Bist du böse ?« fragte Sophia, aber ihre Großmutter antwortete nicht, Övergards fuhren mit der Post vorbei, und der Vater erfuhr, daß er nicht in die Stadt fahren mußte.
»Schön«, sagte Sophia, aber die Großmutter sagte nichts. Sie war sehr still geworden und machte auch keine Borkenboote mehr. Wenn sie abwusch oder Fisch putzte, sah es aus, als ob ihr das keinen Spaß mehr machte. Und an schönen Morgen kämmte sie nicht mehr ihr Haar beim Holzplatz, langsam und mit dem Gesicht zur Sonne gewandt. Sie las immerzu nur und ließ die Dinge laufen.
»Kannst du Drachen bauen ?« fragte Sophia, aber die Großmutter verneinte es. Während die Tage vergingen, entfremdeten sie sich, ihre Scheu war beinah feindselig.
»Ist das wahr, daß du im vorigen Jahrhundert geboren bist ?« fragte Sophia laut durch das Fenster.
»Na und«, sagte die Großmutter sehr deutlich. »Was weißt du schon vom vorigen Jahrhundert .«
»Nichts«, rief Sophia, »und es ist mir auch gleichgültig .« Und lief ihres Weges.
Die Insel erhielt ihren Segen: milden Nachtregen. Eine Menge Strandgut trieb an und wurde geborgen. Niemand kam zu Besuch, es kam keine Post, eine Orchidee öffnete ihre Blüte. Alles war gut und dennoch von einer tiefen Melancholie befallen. Es war ein Augustmonat mit heftigem und schönem Wetter, doch was auch geschah, für die Großmutter bedeutete es nichts anderes, als daß die Zeit sich sammelte und häufte, als jage man den Wind. Der Vater arbeitete immer nur an seinem Tisch.
Eines Abends schrieb Sophia einen Brief und steckte ihn unter die Tür. Dort stand: Ich hasse dich. Herzliche Grüße von Sophia.«
Der Brief war fehlerlos geschrieben.
Sophia machte einen Drachen. Die Vorlage gab es in einer Zeitung, die sie auf dem Boden gefunden hatte. Obwohl sie ihn genau nachmachte, wurde der Drachen nicht gut. Die Blumenstöckchen wollten nicht ineinander festsitzen, das Seidenpapier riß, und der Klebstoff kam an die falschen Stellen. Als der Drachen fertig war, weigerte er sich zu fliegen. Er schlug immer wieder zu Boden, als wollte er sich selbst zerstören. Schließlich stürzte er ins Moorloch. Sophia legte ihn vor die Tür der Großmutter und ging ihres Weges.
Was für ein kluges kleines Kind, dachte die Großmutter. Sie weiß, daß ich früher oder später einen Drachen baue, der fliegen kann. Aber es hilft nichts. Es bleibt wie es ist.
An einem ruhigen Tage kam ein kleines weißes Boot mit einem Außenbordmotor auf die Insel zugefahren.
»Das ist Werner«, sagte die Großmutter. »Nun kommt er wieder mit dem Sherry .«
Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie sich vielleicht nicht wohl fühlen sollte, änderte aber ihre Meinung und ging auf den Fels.
Werner hatte seinen Leinenhut auf und war sehr sportlich angezogen. Es war eindeutig ein Boot für die inneren Schären, das aber zuverlässig aussehen sollte. Es war ein Walrückenboot.
Er wehrte jede Hilfe ab und kam ihr
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