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Sommerbuch

Sommerbuch

Titel: Sommerbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Jansson
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Schneckenwindungen aussahen. Das Borkenstück war schön und geradezu dramatisch. Es ruhte als einzig fester Punkt über seinem Schatten im Sand, und der Sand war grobkörnig, sauber und im Morgenlicht beinahe grau; der Himmel war ganz klar, auch das Meer.
    Sophia kam zurück. Sie lief. »Ich habe Bodenbretter gefunden«, schrie sie. »Große, von einem Schiff, sie sind so lang wie ein Boot .«
    »Nicht zu glauben !« sagte die Großmutter.
    Es war wichtig für sie, nicht zu hastig aufzustehen. So erlebte sie auch gerade jenen Augenblick, da die Flaumfeder ihren Halt, den Halm im Sand verließ und von einer leichten Morgenbrise weggetragen wurde. Sie verschwand aus ihrem Blickwinkel, und als die Großmutter wieder stand, war die Landschaft klein geworden. Sie sagte: »Ich habe eine Feder gesehen, die Flaumfeder von einer Eisente .«
    »Von welcher Eisente ?« fragte Sophia, denn den Vogel, der aus Liebe gestorben war, hatte sie vergessen.

Berenice

    Einen Sommer hatte Sophia einen eigenen Gast, die erste Freundin zu Besuch. Das Kind war ziemlich neu für sie, Sophia bewunderte die Haare. Die neue Freundin hieß Hjördis Evelyne, wurde aber Pips genannt.
    Sophia erzählte ihrer Großmutter, daß Pips fürchtete, wegen ihres richtigen Namens ausgefragt zu werden, und daß sie eigentlich vor allem Angst hatte, und deswegen müßte man mit ihr sehr vorsichtig umgehen. Sie verabredeten, daß sie Pips nicht mit irgend etwas erschrecken wollten, was sie vielleicht noch nicht kannte, wenigstens nicht gleich am Anfang. Als Pips kam, war sie falsch angezogen und hatte Schuhe mit Ledersohlen an. Sie war wohlerzogen, sie war immer still, und das Haar war so schön, daß es einem den Atem raubte.
    »Ist es nicht wunderschön«, flüsterte Sophia. »Naturlocken!« — »Sehr schön«, sagte die Großmutter. Sie sahen sich an und nickten ein paarmal, Sophia seufzte und erklärte: »Ich habe vor, sie zu beschützen. Können wir nicht einen heimlichen Bund gründen, um sie zu beschützen? Das einzig Traurige ist, daß >Pips< nicht adlig klingt .«
    Die Großmutter schlug vor, das Kind Berenice zu nennen, aber natürlich nur innerhalb des Bundes. Berenice war eine Königin, berühmt wegen ihrer Haare, und außerdem war sie ein Sternbild.
    Umgeben von dieser heimlichen Bildersprache und Anlaß zu vielen ernsten Gesprächen ging Pips auf der Insel umher, ein ungewöhnlich kleines und verschrecktes Kind, das nicht allein sein konnte. Deswegen hatte Sophia auch ständig Eile und wagte ihren Gast kaum eine Minute allein zu lassen.
    Die Großmutter lag im Gästezimmer an der Hinterfront des Häuschens und hörte, daß sie die Treppe heraufkam. Mit Krach stürzte sie in die Stube herein, außer Atem setzte sie sich aufs Bett und flüsterte: »Sie machtmich verrückt! Sie will nicht rudern lernen, weil sie Angst hat, ins Boot zu steigen. Sie findet, daß das Wasser kalt ist. Was machen wir bloß mit Berenice ? !«
    Großmutter und Sophia verhandelten kurz darüber, doch ohne etwas zu bestimmen. Bis auf weiteres. Sophia stürzte wieder hinaus.
    Das Gästezimmer war nachträglich gebaut worden und hatte daher eine sehr persönliche Form. Es drückte sich dicht an die Hinterfront des Häuschens und hatte folglich eine geteerte Wand, an der die Netze hingen, Ringschrauben und Stricke und alles mögliche , und was immer dort gehangen hatte. Das Dach war sehr schräg, weil es eine Fortsetzung des richtigen Daches war, und das Zimmer stand auf Pfählen, weil der Felsen zwischen Haus und dem Holzplatz in ein ehemaliges Moor abfiel. Wegen der Kiefer davor war das Gästezimmer nicht viel länger als ein Bett geworden. Es war im Grunde ein ganz kurzer Flur, mit Blaukreide gestrichen, die Tür und Nägelkästen an der einen Seite und ein viel zu großes Fenster an der anderen. Das Fenster war zu groß geraten, weil es mal übriggeblieben war, und an der westlichen Seite war es schief wegen der Decke. Das Bett war weiß und mit Ornamenten in Blau und Gold verziert. Unter dem Gästezimmer gab es Holzbretter und Kanister mit Holzkohlenteer, Benzin und Imprägnierungsmitteln, leere Kisten, Spaten und Hacken, auch noch ein paar alte Fischkästen und allerlei Krimskrams, immer noch zu schade, um es wegzuwerfen. Mit anderen Worten: Das Gästezimmer war ein hübsches Zimmer, es unterschied sich von allen anderen dort. Die Details sind nicht so wichtig.
    Die Großmutter ging zu ihrem Buch zurück und dachte nicht mehr an Berenice . Ein gleichmäßiger Sommerwind

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