Sommerferien in Peking
Lao Lao und Lao Ye fliegen möchte.
Als ich die Schatten auf dem Mond anschaue, versuche ich Chang’e, die »Göttin des Mondes«, und ihren Jadehasen zu erkennen. Lao Lao hat mir diese Geschichte oft bei Mondfesten erzählt: »In der Vorzeit gab es zehn Sonnen, in die sich die zehn Söhne des Kaisers Jade verwandelt hatten. Die Erde vertrocknete und die Ernte verdorrte. Hou Yi, der Bogenschütze, schoss alle Sonnen herunter, bis auf die letzte, die bis heute jeden Tag pünktlich auf- und untergeht. Als Belohnung bekam er von der Königinmutter die Pille der Unsterblichkeit geschenkt. Die Königinmutter warnte ihn jedoch: Um unsterblich zu werden, benötigt man nur die Hälfte der Pille. Hou Yi versteckte daraufhin die Pille gut in einem Kästchen und untersagte seiner Frau Chang’e, das Kästchen zu öffnen. Aber Neugier packte Chang’e und sie fand die Medizin genau in dem Moment, als Hou Yi nach Hause kam. Aus Panik schluckte sie die ganze Pille der Unsterblichkeit und schwebte daraufhin zum Mond empor.Seitdem lebt sie dort ganz allein, als Göttin des Mondes. Nur ihr weißer Hase, der Jadehase genannt wird, ist bei ihr. Und manchmal, wenn man genau hinschaut, kann man die beiden erkennen.«
Ich betrachte den Mond noch eine ganze Weile: Heute kann ich die Göttin und ihren Jadehasen besonders gut sehen. »Vollmond, hmm?«, denke ich, das muss doch auch eine Bedeutung haben. Bei Vollmond geht doch bestimmt mindestens ein Herzenswunsch in Erfüllung ...
Die neue Schule
Ich muss zugeben, dass ich ziemlich enttäuscht war, als ich das erste Mal vor meiner neuen Schule in Schönau stand. Durch den Umzug hatte ich die erste Schulwoche verpasst und war ziemlich nervös, aber Mama sagte schon vor unserem Besuch, dass ich die neue Schule mögen würde. Als ich dann das Schulgebäude sah ... An diesen Tag erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen.
»Schau mal den kleinen roten Turm und die blühende Clematis an der Wand! Wie romantisch!«, rief Mama und zeigte aufgeregt durch das Autofenster, während Papa parkte. Was ich jetzt sah, gefiel mir gar nicht: Die Schule war im Prinzip nur eine alte Villa mit einem großen Garten. Meine ehemalige Schule in China war riesengroß und modern! Wir hatten zwei gigantische Spielplätze und eine riesengroße Turnhalle. Eine Cafeteria hatten wir auch, und eswurde immer lecker gekocht. O.K., die Schule in Schönau war schon 150 Jahre alt und vorher wohnte da die Familie eines italienischen Künstlers. Na und?
Papa sagte zu mir: »Ich glaube, du kannst sogar in die Schule laufen. Ich schätze mal: Sie ist maximal 20 Minuten von zu Hause entfernt.«
In China fuhr ich mit unserem Schulbus zur Schule, der direkt vor unserer Haustür hielt. Aber man musste lange fahren, besonders wenn es Stau gab, was oft passierte. Zum Glück saß ich im Bus immer neben Sophie, meiner besten Freundin, sodass es mir nie langweilig wurde.
Die holzigen Treppenstufen quietschten laut, als Papa und Mama Ricky in seinem Kinderwagen hochtrugen. Einen Aufzug gab es in so einem alten Haus natürlich nicht.
Als Papa und Mama auf einem weißen Sofa vor dem Büro der Direktorin saßen und warteten, schaute ich mich etwas um: die breiten Sofas, die vielen grünen Pflanzen, die großen Fenster ... Ricky saß im Kinderwagen und starrte gebannt auf ein paar bunte Fische, die in einem Aquarium herumschwammen und Mamas Fingerbewegung folgten.
Als ich durch das große Fenster in den Garten schaute, traute ich meinen Augen kaum. »Mama, schau mal. Ist das ... ein Pony?« Tatsächlich: Da war ein schneeweißes Pony im Hintergarten, das gerade frisches Gras knabberte.
»Hast du schon unsere Scheddy entdeckt?«, fragte eineStimme hinter mir. »Wir haben auch noch ein paar Hasen und eine schwarze Ziege.«
Als ich mich umdrehte, sah ich zwei Frauen, die mir die Hand reichten. Es ist hier üblich, dass man sich bei der Begrüßung die Hand gibt. Das habe ich schon kapiert. Also schüttelte ich ihre Hände und sagte höflich: »Hallo.« Mama hatte mir vorher ein paar Mal gesagt, wie wichtig es sei, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Aber nun konnte ich unmöglich noch länger mit meiner Frage warten: »Dürfen wir in der Pause auf dem Pony reiten?«
»Nicht in der Pause, aber nach der Schule. Die Pause ist zu kurz fürs Reiten. In der Pause wird Scheddy nur gestreichelt und gefüttert.« Die ältere Dame schaute stolz meine Eltern an und erzählte weiter: »Unsere Kinder kümmern sich selbst um die
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