Sommerfest
um mein Leben zu riskieren.«
Charlie runzelt die Stirn.
»Erkläre ich ein anderes Mal«, sagt Stefan.
Sie gehen wieder nach oben und sitzen noch eine Weile in der Küche und reden. Nichts Wildes, nur was man aus der Kneipe machen kann und ein paar Erinnerungen an die Leute, die hier früher verkehrten. Und Charlie erzählt davon, was man alles erlebt, wenn man ein Kind hat. Dass es manchmal auch sehr lustig sein kann.
»Lass hören!«, sagt er.
Charlie grinst. »Also pass auf!«
»Ich pass immer auf!«
»Alex ist also im Kindergarten. Und es kommt ein neues Kind, der Daniel. Dessen Mutter ist, nun ja, einigermaßen beleibt und hat auch einen entsprechenden Vorbau. Die Erzieherin in ihrer Gruppe ist aber mehr so flachbrüstig. Und eines Morgens sagt der Daniel zu der Erzierherin: Sag mal, hast du eigentlich auch Titties?«
»Echt jetzt?«
Charlie gluckst schon. »Voll! Und die Erzieherin so: Ja,sicher habe ich welche. Darauf Daniel: Kannst du die morgen nicht mal mitbringen?«
Charlotte Abromeit und Stefan Zöllner lachen sich eins. Oder auch zwei oder drei. Sie können fast nicht mehr aufhören. Ehrlich, Storys ohne Ende, denkt Stefan. Liegen einfach auf der Straße!
Dann sagt Charlie: »Du kannst in meinem Arbeitszimmer schlafen. Erst mal.«
In Charlies Arbeitszimmer steht ein großer, moderner Schreibtisch mit einem großen iMac drauf. An einer Wand ein Bücherregal vom Boden bis zur Decke. In einer Ecke ein Sofa, das Charlie jetzt auszieht zu einem breiten Bett. Er hilft ihr beim Beziehen, fragt sich, ob sie gerade auch daran denkt, dass sie letzte Nacht praktisch dasselbe schon mal getan haben, also Sofa ausklappen und beziehen. Nur wird sich Charlie heute nicht zu ihm legen.
»Okay«, sagt sie, nachdem sie ihm noch ein Kissen und eine Decke gebracht hat. »Ich würde sagen, dann sehen wir uns morgen früh.«
»Darf ich vielleicht kurz an den Computer?«
»Klar, kein Problem.«
In der Tür dreht sich Charlie noch mal um. »Gute Nacht«, sagt sie und guckt ihn ein bisschen länger an, als sie müsste, und vielleicht freundlicher, als sie will, denkt er, aber da sollte man nicht zu viel hineininterpretieren, also antwortet er einfach: »Gute Nacht.«
Dann ist Stefan allein. Er steht ein bisschen da und denkt nach. Er tippt auf eine Taste des Computerkeyboards und stellt fest, dass der Rechner nur im Ruhezustand war. Er öffnet das Internetprogramm und ruft Wikipedia auf.
Der Artikel zu »Feme« ist lang und liefert keine knackige Definition. Auf jeden Fall handelt es sich um einemittelalterliche Form der Gerichtsbarkeit »unter Freien«, bei der schwere Delikte wie Tötungen oder Brandstiftungen verhandelt wurden und die gerne unter einem Baum abgehalten wurde – daher wohl »Femlinde«. Wo heute Beerdigungen begangen werden, wurde früher zu Gericht gesessen.
Die Bedeutungsveränderungen und unterschiedlichen Formen der Feme und wie sich das alles bis heute auf die Rechtsprechung auswirkt, spart er sich, denn jetzt will er wissen, wo der Begriff »Paladin« herkommt, und hier ist Wikipedia etwas mehr auf den Punkt und definiert einen Paladin als einen mit besonderer Würde ausgestatteten Adligen. In der Antike wurde anfangs so das Personal bezeichnet, das im Palast des Kaisers lebte. Im Mittelalter wurde aus dem Paladin der Pfalzgraf, und da wird es auch wieder ein bisschen kompliziert, aber Stefan fragt sich dann doch, ob es sinnvoll ist, Toto Starek als Diggo Deckers Paladin zu bezeichnen. Man nimmt solche Wörter ganz leicht in den Mund und hat doch keine Ahnung davon.
Eigentlich will er noch wissen, woraus nun Pinkelsteine bestehen, aber das ist doch alles auch ein bisschen lächerlich, also versetzt er den Computer wieder in den Ruhezustand, trinkt sein Bier aus, zieht sich bis auf die Unterhose aus und legt sich ins Bett. Die Bezüge auf Kissen und Decke sind frisch, aber im Raum hängt noch Charlies Geruch.
Er hat nur ein paar Sekunden, bevor er einschläft, und in diesen Sekunden sieht er Omma Luise vor sich, wie sie sagt, dass man das alles mal aufschreiben müsse, weil das sonst alles weg sei, diese ganzen Leben und das alles. Die Storys, die auf der Straße liegen und die man nur aufheben muss.
Ja, denkt Stefan, das sollte man wohl tun.
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Dank & Gruß
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Einige Menschen haben zu diesem Buch zum Teil nicht wenig beigetragen:
Maria & Omma.
Nicola Einsle. Marco Ortu. Sandra Heinrici. Helge Malchow. Alle anderen bei KiWi.
Walter Folke hat sich selbst jeden Tag
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