Sommerfest
langsam löst sich ihre bedrückte Stimmung auf. Stefan versucht, den Makler zu erreichen, kann ihm aber nur auf die Mailbox sprechen. Auch Makler haben mal Feierabend.
Weil sie nicht alle nebeneinandergehen können, bilden sich drei Zweiergruppen. Charlie und Karin vorneweg. Worüber sie reden, kann Stefan nicht verstehen. Thomas Jacobi und Frank Tenholt reden über die bevorstehende Zweitligasaison des VfL. Ein paar Meter dahinter Stefan und Mandy. Stefan fragt sie, was sie denn so singt.
»Wirst du später noch hören.«
»Moderne Sachen?«
»Nicht so.«
»Nein?«
»Bin mehr so retro, ganz allgemein.«
»Kann man jetzt von deinem Äußeren nicht so sagen.«
»Aber innen drin.«
»Also singst du Elvis, oder was? Oder Jazzstandards?«
Mandy seufzt. »Ich habe«, sagt sie, »eine Schwäche für Schnulzen aus den Siebzigern.«
»Echt jetzt?«
»Echt jetzt.«
»Mit den Siebzigern kenne ich mich aus. Da komme ich her.«
»Kannst ja mitsingen.«
»Ich kann nicht singen.«
»Ich denke, du bist Schauspieler.«
»Ich kann einigermaßen sprechen.«
»Ich dachte, ihr lernt auch singen.«
»Ich habe Fechten gelernt.«
»Echt jetzt?«
»Echt jetzt.«
»Cool.«
Mandy denkt nach.
»Bist du gerne Schauspieler?«
»Es ist das, was ich mache.«
»Hört sich toll an.«
»Ich denke da nicht so viel drüber nach.«
»Ich dachte immer, das ist nicht so ein Job wie jeder andere. Da muss man doch voll dahinterstehen, mit Leidenschaft und so.«
»Klar, am Anfang.«
»Und jetzt nicht mehr?«
Stefan weiß nicht, was er sagen soll. Klar hat er sich schon mal gefragt, wann ihm das Gefühl für das, was er tut, abhandengekommen ist.
»Und du? Wolltest du schon immer singen?«
»Es ist das, was ich mache.«
»Und du willst Karriere machen?«
»Ich will singen. Und wenn ich den ganzen Tag arbeite, komme ich nicht dazu. Also muss ich vom Singen leben können. Das ist alles.«
Stefan wünscht sich, er wäre sich seiner Sache auch mal wieder so sicher. So wie früher. Dass sie ihm den Vertrag nicht verlängern, ist nur die logische Folge. Er würde sich selbst auch nicht mehr engagieren.
Plötzlich fragt Mandy: »Was ist das mit dir und Charlie?«
»Was soll das sein?«
»Ihr seid irgendwie eine Riesengeschichte, habe ich den Eindruck. Vorher alle so: ey, der Stefan, ey, die Charlie, wie wird das, was machen die und überhaupt.«
»Man hat vorher über uns geredet?«
»Nicht ausschließlich. Aber schon so, dass ich gedachthabe, das ist das Liebespaar des Jahrhunderts. Lady Di und Dodi oder was weiß ich.«
»Da wird übertrieben.«
»Ach ja? Erzähl mal. Du lässt so gar nichts raus.«
»Wir kennen uns ja nun auch erst seit zwei oder drei Stunden.«
»Gib es zu, du machst einen auf verschlossen. Aber dass das mit dir und Charlie was Großes ist, das sieht jeder.«
»Ihr Oppa war in meine Omma verliebt und umgekehrt, haben aber andere geheiratet. Charlie war meine Schwester. Und mein Bruder.«
»War?«
»Kannst dir ja denken, was dann passiert ist.«
»Tausendundeine Nacht und es hat Zoom gemacht.«
»Hab den Song immer gehasst.«
Das Problem ist, dass Stefan nicht blöd ist. Nicht blöd genug jedenfalls, denn sonst könnte er sich einreden, dass man das mit Charlie hinkriegen kann, indem man einfach Abstand hält, aber er weiß natürlich, dass sie eigentlich tot und begraben auf zwei unterschiedlichen Friedhöfen liegen müssten, um das Ding zwischen ihnen unter Kontrolle zu halten.
Warum also dem Druck nicht nachgeben?
Weil dir keiner die Sicherheit gibt, dass es funktioniert, denkt Stefan, also so richtig funktioniert. Klar, die Sicherheit hat man nie, aber lernt man eine Frau kennen, versucht es eine Zeit lang und trennt sich wieder, ist nichts Gravierendes passiert. Mit Charlie sieht das anders aus. Geht das endgültig den Bach runter, denkt Stefan, ist ein Teil meines Lebens kaputt. Aber das ist es doch sowieso, könnte man sagen, wenn man sich jahrelang nicht sieht und für andere Beziehungen verdorben ist. Aber dann steht das anderewenigstens noch als Möglichkeit im Raum – wogegen man natürlich auch wieder tausend Argumente ins Feld führen kann, genauso wie es tausend Argumente dafür gibt, und natürlich weiß ich, denkt Stefan, dass es so nicht ewig weitergehen kann, aber ein Junkie sagt dir auch, dass es so nicht weitergehen und dass er jederzeit aufhören könne. Morgen heißt das Land, in dem immer die tollsten Dinge passieren.
Stefan erzählt Mandy ein bisschen von dem, was er
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