Sommerfest
nix!«
»Das stand doch sogar in der Zeitung!«
»In der Zeitung steht viel.«
»Ey, du glaubst es nicht! Voll die Story!«, plärrt Toto, und es ist klar, dass er die Geschichte erzählen wird, denn genauso hat er es von Anfang an geplant.
»Da sitzt die Omma hier einen Abend ganz gemütlich in der Bude«, beginnt er und macht dabei ganz komische Bewegungen, als wäre er Travis Bickle, der mit seinem Spiegelbild spricht, bevor er loszieht, um Leute umzulegen. »Und plötzlich kommt so ein Typ rein, Kapuzenpulli und so, und Omma denkt schon, was ist das denn für einer. Oder, Omma, der ist dir doch von Anfang an komisch vorgekommen, oder?«
»Die kommen mir doch heute alle komisch vor.«
»Der guckt sich jedenfalls die Klümpchen in den Schubfächern an«, macht Toto weiter.
» DAS kam mir komisch vor«, unterbricht ihn Tante Änne. »Der war doch für Klümpchen viel zu alt!«
»Jedenfalls«, macht Toto weiter, »was macht der Typ? Hä? Was meinst du macht der?«
»Erzähl es mir Toto!«
»Er holt ’ne Knarre aus der Jacke!«
»Kein Scheiß?«, entfährt es Stefan. Die Geschichte ist vielleicht interessanter als der Erzähler.
»Echt kein Scheiß jetzt! Der hält Omma also die Knarreunter die Nase und sagt, sie soll das ganze Geld rausrücken.«
»Das ganze Geld!«, empört sich Tante Änne. »Was haben die jungen Leute denn für Vorstellungen, was man mit so einer Bude verdient!«
»Und was sagt Omma?«, stößt Toto kurzatmig hervor. »Ey, was glaubst du, sagt Omma zu dem Typen mit der Knarre?«
»Keine Ahnung«, sagt Stefan, gegen seinen Willen sehr gespannt.
»Omma Änne sagt: Was willst du denn, du Idiot? Verpiss dich! «
»Echt wahr?«
»Echt wahr, kein Scheiß! Da hält der ihr ’ne Knarre ins Gesicht, und Omma Änne sagt, er soll sich verpissen!« Toto muss sich vor Lachen am Verkaufsschalter festhalten.
»Das war doch nur so’n Jüngelchen«, hält Tante Änne den Ball flach.
»Aber die Nerven muss man erst mal haben!«, keucht Toto. » Verpiss dich, du Idiot! Ey, ich dachte, ich brech ab!«
»Und was hat der Typ gemacht?«, will Stefan dann doch noch wissen.
»Der ist abgehauen, der Arsch!«, kreischt Toto. »Der hatte die Hosen gestrichen voll, dem ist die Angstpisse an den Beinen runtergelaufen! Verpiss dich, ich packe es nicht, ehrlich! Omma Änne ist echt ’ne Marke. Ich hab dann gleich die WAZ angerufen und bei den Ruhrnachrichten auch noch. Und beim Stadtspiegel. Echt, so Storys erlebst du nur hier! Die liegen praktisch auf der Straße!«
Ob die Geschichte stimmt oder nicht, denkt Stefan, ist letztlich egal. Man traut sie Tante Änne zu, das ist der springende Punkt. Wenn ich so alt bin, traut mir das keinerzu. Falls ich überhaupt so alt werde. Wenn ich nicht bald Frühstück bekomme, stehen die Chancen schlecht.
»Du bist doch nicht gekommen, um dir Geschichten anzuhören«, sagt Tante Änne jetzt. »Was kann ich für dich tun, Junge?«
»Drei Brötchen hätte ich gerne.«
Tante Änne nickt, rutscht von ihrem Hocker und schlurft zu den Brötchen hinüber.
»Hör mal«, sagt Toto und wischt sich die letzten Lachtränen aus den Augenwinkeln, »da fällt mir ein, ich könnte deine Hilfe brauchen. Ich muss nachher noch einen Schrank in Dortmund abholen. Der Diggo wollte mir helfen, aber der liegt flach, weil er sich gestern Abend mal wieder abgeschossen hat.«
Das ist nun das Letzte, was Stefan will, mit Toto Starek nach Dortmund und einen Schrank durch die Gegend fahren! »Ich bin auf dem Weg zu Omma Luise«, sagt er, »und danach bin ich bei Frank Tenholt. Und dann ist da noch das Sommerfest von der Spielvereinigung.«
Stefan hört die Kaffeemaschine mahlen, festklopfen und schlürfen.
»Ey, kein Problem«, sagt Toto, und Stefan denkt schon, er hat die Sache abgebogen, als Toto fortfährt: »Ich hol dich beim Tenholt ab, und dann ziehen wir das einwandfrei durch. Dauert nicht länger als ’ne halbe Stunde, da hast du noch massig Zeit. Aber mal ’ne ganz andere Frage. Du bist doch bestimmt wegen Charlie hier, oder? Ich meine, die Beerdigung hast du doch verpasst. Hast du dich schon bei der gemeldet?«
Jetzt kommt der auch noch damit an, denkt Stefan.
»Hier, Jungchen, deine Brötchen«, sagt Tante Änne und legt eine weiße Tüte auf den Tresen. »Fünfundsiebzig Pfennig. Ich sag immer noch Pfennig, wie damals, als wir noch richtiges Geld hatten.« Außerdem stellt sie einen kleinen Pappbecher daneben, aus dem es dampft. »Und so ein kleiner Expresso für auf den
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