Sommerflammen
Lass dich nicht von dem Gel erwischen, Wikingerbraut!«
»Ich gehe schon in Deckung«, erwiderte sie. Sie rannte bergab, während sie sich mit Gibbons abstimmte und den Pfad ansteuerte, auf dem Lewis und Clark einst gewandelt waren. Als sie das Brüllen hinter sich hörte, fluchte sie laut. Sie rannte durch Flugasche, während brennende Kiefernzapfen ihr wie Geschosse um die Ohren sausten. Als die Erde unter ihren Füßen bebte, sprang sie durch die Flammen. In der Mitte des Feuers ist es sicherer, dachte sie, während Rauch von den orange emporlodernden Flammen aufstieg.
Mitten in der schwarzen Finsternis, dort, wo schon alles verbrannt war, nahm sie sich die Zeit, ihren Kompass hervorzuziehen und wieder zur Besinnung zu kommen, bevor sie ihre nächsten Schritte plante. Gibbons hatte seine Leute bestimmt schon auf den Berg geschickt, um das Feuer dort anzugreifen. Als Nächstes …
Beinahe wäre sie darüber hinweggestiegen, doch ihr Instinkt ließ sie vor den schwarz verkohlten, menschlichen Überresten zurücktaumeln. Die Leiche hatte die verschmorten Arme und Beine dicht an den Körper gezogen.
Sie waren durch die Hitze verschrumpelt, aber in diesem furchtbaren Moment sah es so aus, als hätte sich der Sterbende ganz klein gemacht, damit ihn das Feuer vielleicht übersah. Mit tauben Fingern zog sie das Funkgerät hervor. »Fliegerhorst.«
»Hier spricht der Fliegerhorst, Rowan, bitte kommen.«
»Ich habe eine Leiche gefunden.«
»Wie bitte?«
»Ich bin etwa zehn Meter vom Lobo Trail entfernt, unweit der Spitzkehre im Südosten. Dort, wo schon alles verkohlt ist. Dort liegt eine Leiche, L. B.« Sie atmete hörbar aus. »Sie ist vollkommen verkohlt.«
»Ach du meine Güte! Roger. Bist du in Sicherheit?«
»Ja.«
»Halte die Stellung. Ich werde die Ranger verständigen und melde mich dann wieder bei dir.«
»L. B.« Sie strich sich mit den Fingern über die Nasenwurzel. »Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber der Boden unter der Leiche … Es sieht ganz danach aus, als hätte jemand ihn oder sie angezündet. Und ich weiß nicht, aber so wie der Kopf abgewinkelt ist, ist vermutlich das Genick gebrochen.«
»Meine Güte! Fass nichts an, verstanden, Rowan?«
»Das habe ich nicht vor. Ich werde Gibbons anfunken, ihm Meldung machen. Herrgott, L.B., von der Größe her muss es eine Frau oder ein Kind sein.«
»Bleib dran, Rowan, ich melde mich gleich wieder.«
Sie wappnete sich innerlich. Es war nicht das erste Mal, dass sie eine verkohlte Leiche sah. Sie hatte Jim gesehen, als sie seine sterblichen Überreste endlich gefunden hatten. Aber sie war noch nie allein über eine gestolpert. Tief Luft einatmend, funkte sie Gibbons an.
Es dauerte mehr als anderthalb Stunden, um zu ihrer Mannschaft zurückzukommen. Sie musste auf zwei Ranger warten, sie zu der Stelle führen und ihre Fragen beantworten. Nach ihrer Totenwache hieß sie die Hitze, den Rauch und die Schlacht beinahe willkommen.
Wie erwartet hatte Gibbons seine Leute auf den Berg geführt, und die Widerstandslinie hielt.
»Heilige Scheiße, Ro!« Gibbons fuhr sich mit dem Unterarm über das rußgeschwärzte Gesicht. »Wie geht es dir?«
Die Totenwache hatte dazu geführt, dass ihr nach wie vor leicht übel war. »Deutlich besser als dem Brandopfer. Die Ranger sind eingetroffen, und ein Special Agent wurde angefordert. Außerdem ein Spezialist für Brandstiftung.«
»Brandstiftung?«
»Gut möglich, dass das Feuer bewusst gelegt wurde, um einen Mord zu vertuschen.« Weil sie das Gefühl hatte, ihr Kopf würde gleich platzen, rückte sie den Helm zurecht. Doch auch das konnte das Pochen hinter ihren Augen nicht lindern.
»Noch wissen wir nichts Genaues«, sagte sie, als er fluchte. »Vielleicht hat auch bloß ein dämliches Kind herumgezündelt. Meiner Meinung nach könnte das der Brandherd gewesen sein. Unsere oberste Priorität besteht darin, das Feuer zu löschen. Um den Rest kümmert sich die Bundespolizei. Wo willst du mich einsetzen?«
»Du kannst zurück zum Fliegerhorst, Ro. Dafür wird jeder Verständnis haben.«
»Lass uns erst das hier beenden.«
Sie schuftete an der Sägelinie, während ein Teil der Mannschaft jene Widerstandslinien verstärkte, die zur
Spitze des Feuers führten. Eine noch frische Truppe Feuerspringer griff die andere Flanke an. Unzählige Male zog Rowan ihr Funkgerät hervor, um zu hören, welche Fortschritte die anderen machten, dem Fliegerhorst Meldung zu machen oder sich mit Gibbons abzusprechen. In
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