Sommerflammen

wenigen Stunden hätten sie das Feuer gelöscht und zusammengepackt, dachte sie. Und heute Nacht würden sie und ihre Leute wieder im eigenen Bett schlafen.
    »Was ist?« Gull blieb neben ihr stehen. »Es gibt Gerüchte, dass irgendwas nicht stimmt.« Sie wollte ihn abwimmeln, aber er hypnotisierte sie mit seinem Blick. »Du kannst es mir jetzt oder später erzählen. Also bring es hinter dich.«
    Sie hatte sich ihm hingegeben, das Bett mit ihm geteilt, dachte sie. »Wir haben den Feuerdrachen in die Enge getrieben. Wenn Gibbons dich entbehren kann, kannst du mich begleiten: Rauchsäulen ausspähen.« Gemeinsam entfernten sie sich von der Sägelinie. Rowan löschte eine basketballgroße Brandinsel und lief weiter. Anschließend erzählte sie es ihm.
    »Und du glaubst, es war Mord? Und der Täter hat Feuer gelegt, um ihn zu vertuschen?«
    »Ich kann es nicht beschwören.« Aber ihr Bauch sagte ihr etwas anderes.
    »Es wäre klüger gewesen, die Leiche zu verscharren.« Sein sachlicher Tonfall besänftigte ihren Magen etwas. »Ein solches Feuer erregt Aufmerksamkeit. Das ist ja wohl logisch.«
    »Wenn man jemanden umgebracht hat, ist man vielleicht nicht in der Lage, logisch zu denken. Vielleicht war das Feuer ein Teil der Tat. Manche Leute finden es erregend, Brände zu legen.«
    »Das Feuer wurde bei Tagesanbruch entdeckt. So wie es sich ausgebreitet hat, muss es spätnachts oder im Morgengrauen gelegt worden sein. Es hatte schon sehr hoch hingelodert und mindestens hundert Morgen verschlungen, als wir abgesprungen waren. Wann war das gleich wieder, so gegen acht?«
    Komisch, dachte sie. Es tat irgendwie gut, so sachlich darüber zu sprechen. »Ja.«
    »Der Campingplatz liegt gar nicht so weit westlich. Aber da schon viel von dem Gebiet zwischen Leichen-Fundort und Campingplatz verkohlt war, ist das Feuer nach Osten gewandert. Ein Glück für die Campinggäste.«
    Das Pochen in ihrem Schädel ließ etwas nach. Nachdenken ist Handeln, wurde ihr klar. Bisher hatte sie nur reagiert, kaum gehandelt. »Vielleicht waren es Leute vom Campingplatz«, überlegte sie laut. »Sie waren wandern, haben sich gestritten. Absichtlich oder aus Versehen bringt er sie um.«
    »Sie?«
    »Das vermute ich nur aufgrund der Körpergröße. Ich glaube, dass es die Leiche einer Frau oder eines Kindes ist. Und da ich nicht möchte, dass es ein Kind war, gehe ich von einer Frau aus. Anschließend hat der Täter sie vom Wanderweg in den Wald hineingeschleift oder getragen. Vielleicht hat er überlegt, sie zu verscharren, und ist umgekehrt, um das Werkzeug zu holen. Aber jemanden zu verbrennen geht schneller und ist nicht so aufwendig. Der Boden war ausgetrocknet, er musste nur die Strauchschicht anzünden.«
    »Wenn das Feuer gegen zwei, drei Uhr morgens gelegt wurde«, überlegte Gull laut, »dürfte es dem Täter einen Vorsprung von mehreren Stunden verschafft haben.«
    Ja, dachte sie. Klar. Uberleben war oberste Priorität.
    »Bis zum Morgengrauen war er längst über alle Berge.«
    Sie nickte. Jetzt, wo es ein Fall geworden war, der gelöst werden musste, verschwand ihre Übelkeit. »Bis die Leiche identifiziert werden kann, dauert es noch eine Weile, was dem Täter einen weiteren Vorsprung verschafft. Und hätte ich nicht ausgerechnet diesen Weg zurück zur Sägelinie genommen, hätte es vielleicht noch Stunden oder Tage bis zur Entdeckung der Leiche gedauert. Eigentlich wollte ich diese Route gar nicht nehmen, aber das Feuer hat mich dazu gezwungen.«
    Sie fuhren damit fort, Brandinseln zu löschen. Dann hielt sie inne. »Ich wollte einfach nicht mehr daran denken. Ich hatte die Leiche gefunden, den Fund gemeldet und gedacht, soll sich die Forstpolizei darum kümmern. Aber seitdem hat mir die Sache keine Ruhe mehr gelassen. Sie hat mich irgendwie völlig aus der Bahn geworfen«, gestand sie ihm.
    »So etwas wirft jeden aus der Bahn, Rowan.«
    »Hast du schon mal eine verkohlte Leiche gesehen?«
    »Ja. Das vergisst man nie mehr.« Er wusste, dass es half, darüber zu reden, sich über die Umstände Gedanken zu machen.
    Sie ertränkte eine eimergroße Brandinsel, bevor sie sich vergrößern konnte. »Unsere Aufgabe im Sommer besteht hauptsächlich darin, Brände zu löschen, Totholz zu entfernen, zu trainieren und sich auf den nächsten Sprung vorzubereiten. Aber in diesem Sommer haben wir es mit der durchgeknallten Dolly zu tun, mein Vater hat eine Verabredung, und es gibt Tote im Wald.«
    »Du erwähnst die Verabredung deines Vaters in