Sommerflimmern (German Edition)
immer wieder träume. Jedes Mal ist es dasselbe.Ich sehe einen Leoparden, der gemächlich durch eine karge Steppe schlendert. Manchmal stürzt er sich plötzlich auf ein anderes Tier und reißt es nach allen Regeln der Großkatzen-Kunst. Komischerweise macht mir das aber überhaupt nichts aus. Ich meine, sehe ich so etwas in einer Doku, schaue ich angeekelt weg. Aber in diesem Traum genieße ich es geradezu! Wenn sich seine Krallen im Fleisch anderer Tiere festhaken und er seine spitzen Zähne in dessen Hälse bohrt. So als würde ich jemandem dabei zusehen, wie er ein Himbeereis mit Sahne und Schokosauce verspeist – mein Lieblingseis! Bis hierhin ist dann immer noch alles in Ordnung. Doch dann passiert es. Plötzlich erscheinen aus dem Nichts zwei Personen, ich kann sie nicht erkennen, es ist, als hätte jemand ihre Gesichter gepixelt. Sie überwältigen gemeinsam den Leoparden, sperren ihn in einen viel zu engen Käfig, das Tier wird rasend und ich wache schreiend auf.
»Wow, Charlie, ich kann mir vorstellen, dass das nervt. Hast du dir schon mal überlegt, woher das kommt?«
»Na ja, keine Ahnung. Vielleicht einfach Abi-Stress …«
»Ja, und vielleicht auch einfach die Tatsache, dass du jetzt nicht mal richtig Ferien machen wirst. Willst du dieses Praktikum eigentlich wirklich machen? Ich meine, klar, London ist cool, aber du glaubst doch nicht, dass du davon viel mitbekommen wirst? Und überhaupt, auf die Uni vorbereiten, das macht doch keiner! Du hast ein Spitzen-Abi, das reicht doch wohl.«
»Ja, aber ich möchte halt einen guten Start haben. Und außerdem will ich so schnell wie möglich fertig werden, damit ich nicht zu alt bin, wenn ich abschließe, das ist heutzutage …«
»Och, Charlie, das ist doch Alexanders Reden. Was für ein Karriere-Wahnsinn. Tut mir leid, aber bist das wirklich du ?«
»Na ja, ich mach das ja auch für Paps. Du glaubst nicht, wie sehr der sich wünscht, dass seine Firma in der Familie bleibt. Und dafür hat er ja nun mal nur mich.«
»Und was ist mit dir?«
»Wie meinst du das?«
»Na, so ganz alleine hier?«
Ich zucke zusammen, als ich eine Hand auf meinem Rücken spüre, doch dann bemerke ich, dass es Alexanders ist. Er setzt sich zu mir auf die Bank.
»Anna, Alex ist da. Lass uns morgen weitersprechen, okay?«
»Alles klar. Und lass dich nachher ordentlich feiern.«
Als ich das Handy zurück in meine Tasche fallen lasse, legt Alex seinen linken Arm auf meine Schultern und zieht mich näher zu sich heran. Wie auch immer er sie versteckt hatte, plötzlich hält er mir mit seiner rechten Hand eine rote Rose hin, gibt mir einen Kuss auf den Mund und flüstert in mein rechtes Ohr: »Happy birthday, mein Schatz.«
»Danke, die ist sehr schön.«
»Mein Geschenk gebe ich dir nachher auf der Feier.«
»Ach Quatsch, jetzt sind wir wenigstens unter uns, gib es mir doch jetzt schon …«
Alexander lacht.
»So neugierig? Du musst dich leider noch etwas gedulden.«
»Ha! Du hast noch gar keins!« Ich stupse ihm mit dem Ellbogen in die Seite.
Wie von einem schweren Boxschlag getroffen sinkt Alex in sich zusammen.
»Ahhh, das tut weh … Natürlich habe ich ein Geschenk! Etwas ganz Besonderes sogar … So gut solltest du mich doch kennen.«
Da hat er recht. Egal, um was es geht, Alexander ist genauer als ein Buchhalter und zuverlässiger als eine Funkuhr. Das war immer schon so und dabei kenne ich ihn wirklich lange. Seit meiner Kindheit. Oder eher seit meiner Geburt, denn als ich geboren wurde, war er zwei Jahre alt, und da unsere Eltern schon ewig befreundet sind, haben wir uns von Anfang an viel gesehen. Als ich klein war, war er wie Bruder und bester Freund in einem. An meinem 16. Geburtstag allerdings hat sich alles geändert. Denn da hat er mir seine Liebe gestanden. Ich weiß noch, dass ich damals etwas überrascht gewesen bin. An so was hatte ich bei ihm eigentlich nie gedacht, aber gleichzeitig überlegte ich: Wenn nicht er, wer dann? Alexander ist so intelligent und liebenswert. Außerdem sieht er unglaublich gut aus. Auf unserer Schule gab es damals kaum ein Mädchen, dasnicht völlig ausgeflippt wäre, hätte er sie um ein Date gebeten. Hat er aber nicht. Und seitdem sind wir nun ein Paar und ich habe es nicht bereut. Wir passen perfekt zusammen und gestritten haben wir uns auch noch nie. Obwohl, das stimmt nicht, einmal war er ziemlich sauer auf mich. Vorletzten Winter. Ich wollte ihn überraschen und bin zur Uni-Bibliothek gefahren, um ihm ein Buch
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