Sommerflimmern (German Edition)
läuft? Das brauchst du nicht. Das Wetter ist doch perfekt! Kein Wölkchen! Moment mal … ich fasse es nicht, du hast ja Stressflecken am Hals. Sag mal, was ist denn los mit dir!?«
»Ach, Kind.«
Und wieder drückt sie mich an sich. Diesmal richtig fest. Ich versuche mich zu lösen, um sie mir noch einmal anzusehen, doch sie lässt mich nicht.
»Ma – ma. Ich er – sti – cke …«
Sie gibt mir schnell einen Kuss auf die Wange und eilt davon.
»Mama? …«
Ich frage mich, ob das wohl der Beginn der Wechseljahre sein könnte, und verlasse die Vorhalle über die Treppe, um in mein Zimmer zu gehen.
Dort nehme ich das Abendkleid, das mir Sofy, unser Hausmädchen, dorthin gehängt hat, vom Wandspiegel und betrachte mich von oben bis unten. Doch ich kann nichts erkennen. Abitur mit Bravour geschafft, volljährig, in wenigen Monaten Architekturstudentin.
Keine Veränderung. Na ja, was habe ich auch erwartet? Zwei Köpfe? Ich zwinkere dem einzigen Kopf im Spiegel zu, bevor mein Blick auf das Klavier fällt, das hinter mir im Erker unter dem Fenster steht. Am liebsten würde ich jetzt am Flügel in unserer Bibliothek spielen, sein Klang ist unglaublich, aber ich habe keine Lust, runterzugehen. Also hänge ich das Kleid zurück an den Wandspiegel, setze mich an mein Klavier und, ohne nachzudenken, beginne ich mit Big My Secret aus dem Film Das Piano . Während meine Finger über die Tasten wandern, werden sie schneller, erhöhen den Druck, sodass es immer lauter wird. Während ich spiele, schließe ich meine Augen und sehe in Gedanken eine der letzten Szenen des Films. Das Klavier am Grund des Ozeans liegend und über ihm schwebend, weil mit einem Tau verknüpft, Ada.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, warum mir diesesBild so sehr gefällt. Vielleicht, weil ich beides liebe. Das Meer und den Klang eines Klaviers.
Ich brauche einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. Ich schaue aus dem Fenster und sehe, dass die Sonne bereits über dem Waldstück steht, das zu unserem Grundstück gehört. Im Garten schwirren Leute herum, um letzte Vorkehrungen für die Feier zu treffen. Es wird an Tischdecken gezupft, die Beleuchtung getestet, die Blumendekoration überprüft. Musiker sitzen im Pavillon und stimmen ihre Instrumente. An der Bar, die extra aufgebaut worden ist, sehe ich meinen Vater, der etwas mit den Barkeepern und Kellnern zu besprechen hat. Höchste Zeit, mich für den Abend fertig zu machen.
Als ich aus dem Bad komme, nehme ich das Kleid aus der Schutzhülle und lege es auf mein Bett. Es gefällt mir. Ich habe es schon vor zwei Monaten extra für diesen Abend ausgesucht. Es ist schlicht, aber nicht langweilig. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Schmal geschnitten, aus lang fließender Seide, die champagnerfarben schimmert, mit zarten Stickereien am Dekolleté und an den Abschlüssen.
Ich suche in meinen CDs herum. Bevor es auf der Feier gleich förmlich wird, brauche ich jetzt dringend irgendwas Wildes … perfekt, eine von Annas Mix-CDs. Nr. 14. Ich drücke gerade auf Play , als es an meiner Tür klopft.
»Ja?«
Meine Mutter kommt herein. Sie sieht unglaublich aus.
»Schatz, der Hairstylist ist noch da. Wenn du willst,schicke ich ihn zu dir hoch. Und wie du siehst, ist er beim Make-up auch sehr geschickt.«
Sie schreitet lächelnd in die Mitte meines Zimmers und dreht sich einmal um 360 Grad.
Lachend klatsche ich in die Hände.
»Mama! Du siehst wirklich umwerfend aus! Papa wird auf die Knie gehen!«
Lachend wirft meine Mutter den Kopf in den Nacken. Dabei hält sie mit einer Hand die Blume, die sie sich ins Haar gesteckt hat.
»Danke, Schatz. Also? Soll ich Ricardo zu dir hochschicken?«
»Nö, ich komme schon zurecht. Wirklich.«
»Gut, wie du meinst … wahrscheinlich hast du recht, du bist so wunderschön, selbst wenn du bleiben würdest, wie du bist.«
»Genug Honig verteilt, Mama. Ich mache mich jetzt fertig.«
»Gut, aber lass dir nicht zu viel Zeit. Es geht bald los!«
Als sie schon fast aus der Tür ist, dreht sie sich noch einmal zu mir um.
»Übrigens, was für eine Musik hörst du da eigentlich schon wieder? Also, das was du vorhin selbst gespielt hast, hat mir wesentlich besser gefallen, wirklich.«
»Ach, Mama, ist doch nur Musik«, sage ich, um kurz darauf grinsend in das Hey-Ho, let’s go der Ramones einzustimmen.
W ährend ich die Treppe zur Vorhalle hinuntergehe, klingelt es an der Tür. Sofy öffnet und ich sehe Alexander hereinkommen.
Als er mich auf der
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