Sommerfrost - Die Arena-Thriller
anfühlen! Schmetterlinge im Bauch! Ich kann nicht mehr schlafen. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an J. Was für ein Tag! Ich war bei J. Zuerst haben wir ein bisschen mit den Kaninchen ge spielt. Wir haben sie gestreichelt und mit Mohrrüben gefüttert. Sie haben so wunderbar weiches weißes Fell. Und ihre kleinen Schnäuz chen zittern immer so! Als es angefangen hat zu regnen, sind wir ins Gartenhaus gegangen und haben die Kaninchen mitgenommen. Da war es gemütlich. Auf dem alten Sofa liegen dicke Decken, in die man sich einwickeln kann, und auf dem Boden liegen bunte Teppi che. J. hat Musik angemacht und uns auf einer Elektroplatte Tee ge kocht. Wir haben Räucherstäbchen angezündet und uns vorgestellt, wir sind im Orient und draußen liegen unsere Kamele im Sand. Ganz nah haben wir nebeneinander gesessen und irgendwann hat er an gefangen, meinen Arm zu streicheln. Ich habe seinen auch gestrei chelt. Und dann haben wir uns geküsst. Wow! Ich habe gedacht, ich werde gleich ohnmächtig. Vielleicht bin ich’s sogar für Sekunden geworden! Auf dem rechten Oberarm hat er ein Tattoo. Es ist kein richtiges Bild, eher ein Zeichen. Er hat mir erklärt, dass er sich es selbst gemacht hat. Ganz schön mutig, habe ich gesagt. Er hat gesagt, dass es gar nicht wehgetan hat. Willst du auch ein Tattoo?, hat er mich gefragt. Ich habe eine Weile überlegt, aber dann habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, das gleiche Zeichen zu haben wie er. Ich habe genickt und dann hat er alles vorbereitet. Nadel und Desinfektionszeug hat er von seiner Mutter aus der Apo theke, auch Eisspray, damit man nicht so viel spürt. Schwarze Tint e hatte er in einem Tintenfass. Es hat wirklich nicht so wehgetan. Jetz t habe ich das gleiche Zeichen wie er . Jetzt gehören wir zusammen, hat er gesagt. Für immer . Irgendwann musste ich aufstehen, da haben mir die Knie gezittert. Ic h denke nur noch an ihn. Wie soll ich es noch länger zu Hause aushalten ?
Lyra betrachtete das verschnörkelte Zeichen, das Viola an den Rand gemalt hatte. War das das Tattoo? Sie glaubte, unten ein Geräusch gehört zu haben. Konnte ihre Mutter früher zurückgekommen sein? Sie wagte kaum zu at men. Aber da war nichts, sie hatte sich geirrt. Sie las weiter.
21. Juni
Mama hat gefragt, was mit mir los ist. Du bist so flatterhaft! Ich habe gesagt, in der Schule ist gerade so viel los, ich bin ganz nervös. Wenn ich ihr von J. erzählen würde, wollte sie ihn be stimmt kennenlernen. Nachher würde sie sicher ein negatives Ur teil über ihn abgeben. Ihr ist doch niemand recht! An all meinen Freundinnen und Freunden hat sie was auszusetzen. Oder meine Eltern würden seine Mutter einladen! Schrecklich! Wenn ich J. wie der treffen würde, hätte ich immer das Gefühl, dass Mama zwi schen mir und J. steht. Papa hätte auch etwas auszusetzen. J. ist nämlich überhaupt nicht sportlich. Und er hat ziemliche Höhenangst. Neulich ist ein Kaninchen aufs Dach vom Gartenhaus abgehauen. J. konnte nur drei Sprossen auf der Leiter hochklettern, dann musste er herunter, weil ihm schwindlig wurde. Da bin ich aufs Dach geklettert und habe das Ka ninchen, das wohl auch Angst hatte, heruntergeholt. Warum lachst du mich nicht aus, hat J. mich gefragt. Ich wusste gar nicht, was er meinte. Er erklärte mir, dass ihn immer alle ausgelacht haben, wenn er sich vor etwas fürchtete. Auch seine Mutter.
23. Juni
Ich kann nicht mehr schlafen. Immer denke ich an J. Dauernd betrach te ich mein Tattoo. Heute Mittag sehen wir uns wieder.
23. Juni, Nachmittag
Mir ist schlecht. Ich fühle mich ganz furchtbar unglücklich. Heute ist etwas Unschönes passiert. Wir haben es uns wieder im Gartenhaus gemütlich gemacht, wir haben Musik gehört, Tee getrunken, in einem Buch über Expeditionen durch die Wüste Gobi gelesen und haben uns geküsst. Doch plötzlich sagte J., er wolle mit mir schlafen. Das hat mich schockiert. Ich habe Angst davor. Vielleicht geht dann unsere Freundschaft verlo ren? Er hat es zuerst nicht verstanden. »Was hast du gegen mich?«, fragte er. »Nichts!«, antwortete ich. »Ich will es nur nicht. Nicht jetzt.« Er wollte, dass ich ihm erkläre, warum. Aber ich konnte nicht. Viel leicht bin ich ja verklemmt? Die Stimmung war gedrückt. Ich bin dann bald gegangen. »Du hast mich angelogen, du liebst mich nicht! Du bist genauso wie alle anderen!«, hat er mir noch nachgerufen, ich konnte gar nichts sa gen. Ich kann überhaupt nicht begreifen, dass er so etwas denkt! Dann ist mir
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