Sommergayflüster
letzten Geschäftserfolge begann, die er in verschiedenen Variationen bereits oft gehört hatte.
Der Fremde betrachtete ihn immer noch.
Er wollte den Mund aufmachen und ihn auf diese Unhöflichkeit hinweisen, als ihre Blicke sich erneut begegneten. Dunkelgrüne Augen, eine Farbe, die er noch nie in irgendwelchen Augen gesehen hatte.
Sie musterten sich. Er konnte nicht anders, er wusste nicht, was ihn antrieb, ihn zu betrachten. Smaragdaugen, ein schmaler Mund und ein festes Kinn. Das Hemd trug er leger, das Sakko machte seine Schultern breiter, als sie vielleicht waren. Aus heiterem Himmel überkam ihn das unsinnige Verlangen, ihn zu bitten, das Sakko auszuziehen, damit er seine Gestalt sehen konnte. Er trank den Martini in einem Zug aus.
„Sie genießen nicht“, sagte der junge Mann und lächelte wieder. Perlen auf einer Schnur; dieser Kerl hatte einen guten Zahnarzt.
„Was gibt es hier zu genießen“, gab er zurück. Sie standen am Ende der Theke, niemand beachtete sie.
„Ich heiße Oliver.“
„Was wollen Sie von mir?“, fragte er.
„Genießen.“ Oliver wandte ihm das Profil zu, seine Brust hob und senkte sich. Oliver sah so lebendig aus. Es war ein Genuss, ihm beim Atmen zuzusehen. Er räusperte sich.
„Möchten Sie noch etwas trinken, Oliver?“, fragte er höflich und gleichzeitig irritiert.
„Nein, danke. Wie heißen Sie?“
„Mark.“ Er dachte nicht daran, mehr preiszugeben als sein Gegenüber. Sein nächster Martini kam. Er kippte ihn hinunter, um das Zittern seiner Hände zu verbergen. Oliver drehte sich ihm zu. Er hob seine Hand und legte sie auf seine Brust. Einfach so, ganz selbstverständlich. Mark schien es, als würde Oliver leicht zwinkern, mit einem Auge. Und mit dem Mundwinkel. Er merkte, dass Oliver seinen Mund betrachtete. Es kostete ihn Beherrschung, sich nicht über die Lippen zu lecken. Warum blieb er überhaupt hier stehen? Karla wartete dort hinten und lauschte den Worten, klatschte manchmal zur Rede. Olivers Hand lag immer noch auf seinem Herzen. Er sollte gehen und nicht auf Olivers Scheitel starren, der die flauschigen, welligen Haare teilte. Die Hand war warm und fest, der Daumen fuhr über die Knöpfe seines Anzugs. Etwas tief in ihm hätte gern mehr von dieser Wärme gespürt. Die Finger waren kräftig und lang, die Fingernägel sauber manikürt.
„Komm mit!“ Oliver ließ ihn los und ging zum rückwärtigen Teil der Bar, wo ein Schild über einer Tür hing: Toiletten. Er verschwand in ihr so siegesgewiss, dass er sich nicht mehr umschaute.
Mark fühlte sich plötzlich erleichtert. Natürlich, Oliver war schwul. Doch erst, als ihm das Toilettenschild vor die Augen gekommen war, hatte er es verstanden. Oliver war schwul und lud ihn ein. Klappensex, Schmuddelsex.
„Oh mein Gott“, flüsterte er und schüttelte den Kopf. Nur ein Schwuler, kein Verrückter, kein Industriespion oder jemand, der ihm angebliche Insidergeschäfte ins Ohr flüstern wollte. Karla hatte sich den Falschen angelacht, grinste er und trank den dritten Martini aus. Ihm wurde plötzlich klar, dass er den Drink nicht genossen hatte. Er starrte in den Spiegel. Oliver hatte dunkelgrüne Augen. Wann hatte er selbst den letzten Sex gehabt? Und warum zum Teufel fragte er sich das?
Unruhig wechselte er das Standbein und schaute sich um. Die Tür zu den Toiletten befand sich an der gleichen Stelle. Sie war dort und rührte sich nicht vom Fleck. Kellner huschten hin und her. Das Holz des Türblatts schimmerte. Während sich im Saal der nächste Redner ins Zeug legte, stellte er fest, dass seine Gedanken abschweiften: Oliver trat nun in eine Kabine und öffnete den Gürtel seiner Hose. Ein erlesener, teurer Gürtel. Der Reißverschluss zischte, die Hose fiel auf seine Schuhe hinab. Olivers Beine waren gerade und muskulös, der Slip lag eng an und sein Geschlecht wölbte sich wie eine große Muschel.
Mark schrak auf, atmete tief ein und aus. Die Tür wartete. Schwindel packte ihn, ein Unglaube, dass ihm das mit Oliver passiert war. Er konnte Sex haben, wenn er Lust darauf hatte. Unverbindlich, schnell, anonym. In seinem Unterleib begann es zu kribbeln. Er öffnete leicht den Mund, seine Zunge schien dick zu werden, der Speichel lief zusammen wie bei einem Pawlow’schen Hund. Er machte einen Schritt in Richtung Tür. Karla schaute sich nach ihm um. Er starrte sie an, verlangend, lüstern glitt sein Blick an ihr auf und ab. Sein Glied regte sich. Ihr Lächeln erstarb, sie wunderte sich. Er hatte
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