Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Staubsaugen und Einziehen, das konnte es nach dem Willen der Mehrheit denn auch nicht sein. Nach einigen Diskussionen zu diesem Thema war die Gruppe darauf eingeschwenkt, dass wir dann doch lieber einen Kiesel wollten, um ihn eigenhändig zum Diamanten zu schleifen. Ein Haus, dem wir einen persönlichen Anstrich geben konnten. Was uns auch aus finanziellen Gründen besser zu Gesicht stand. Zudem waren die meisten von uns der Ansicht, dass wir Kopfarbeiter auch unsere lange vernachlässigte praktische und handwerkliche Intelligenz mal ein wenig herauskitzeln sollten. Schon zu Zechliner Zeiten war es ein beliebtes Gedankenspiel, uns vorzustellen, wie eine Zivilisation aussähe, die auf dem Wissen und den Fähigkeiten unserer einzelnen Mitbewohner aufgebaut wäre. Das Ergebnis war meist verheerend: Viele Bücher würde es geben, aber keine funktionierende Infrastruktur. Von daher konnte es nur von Nutzen sein, wenn wir diesen vernachlässigten Teil unserer Persönlichkeit ein wenig fördern würden.
Mehr Interesse als das jämmerliche Haus mit dem Dachschaden weckte ein Wassergrundstück am Rande des historischen Kopfsteinpflasterdörfchens Kleinzerlang an der Rheinsberger Seenplatte. Doch das große »Aber« ließ auch dort nicht lange auf sich warten. Ausgerechnet in diesem musealen Dorfidyll mit historischen Gaslaternen stellte sich das Objekt selbst als die Gebäude gewordene Auslöschung von Sinn heraus – postmoderne Architektur in Reinform sozusagen. Ein ums andere Mal hatten die früheren Bewohner das Ursprungsgebäude an- und ausgebaut, wobei, wie es schien, die Verfügbarkeit von Baumaterialien wie Ziegel, Wellblech und Eternit handlungsleitend war. Das Grundstück selbst wies einen ebensolchen Patchworkcharakter auf. Es war in seiner Struktur nicht zu verstehen, wenngleich sich der Makler alle erdenkliche Mühe gab, uns diese bizarre Sonderwelt von einem Grundstück zu erklären.
Nach etwa einer Stunde versuchte Konrad, aus den aberwitzigen Erklärungen eine Quintessenz herauszukeltern: »Verstehe ich Sie also richtig, dass sich unser Grund und Boden demnach von dem Komposthaufen da drüben bis zu dem Kaninchenstall und von dem Wellblechverschlag bis zu der Hecke erstrecken würde, wobei es dazwischen einen fünf Meter breiten Korridor gibt, der Gemeindeland ist und der da unten kurz vor dem Seeufer eine leichte Rechtsbiegung macht?«
Zu solchen Irrgärten war es in der DDR durch einen lokalen Nepotismus gekommen, wie der Makler uns erklärte. Parteibonzen, Dorfgrößen und LPG -Leiter hatten sich die schönsten Seegrundstücke zugeschachert, sie nach Gutdünken zerschnippelt und neu wieder zusammengesetzt.
»Nein, ganz so einfach ist es nicht«, erwiderte der Makler, »der Korridor verengt sich auf halbem Wege zum See dort zwischen den beiden Linden noch einmal auf einen Meter. Ab da gibt es noch einen Abzweig mit einem alten Wegerecht für Bauer Malchow, der da seine Schafe zum Waschen führen durfte.«
»Eine Art Transitstrecke zum See?«, fragte ich. »Heißt das, man darf auf dem Weg zum Baden auch keine Pinkelpause einlegen?« Der Makler überhörte meinen Versuch, die Sache mit Humor zu nehmen.
»Puuh«, stöhnte Konrad, »ich glaube das ist dann wohl doch nicht so ganz das Richtige für uns.«
Ähnlich merkwürdig war die Tatsache, dass der zukünftige Eigentümer zwei Saufbrüdern, die einen der nachträglich angeflanschten Seitenflügel bewohnten, lebenslangen Nießbrauch gewähren musste. Die beiden Besoffskis gehörten in Kleinzerlang genau wie die Gaslaternen gewissermaßen zum historischen Inventar, mit dem einzigen Unterschied, dass die beiden Untermieter sich schon vormittags die Lampe anzündeten. Das steigerte nicht eben die Attraktivität des Objekts.
Damit Lord Cord bei Besichtigungen kapitulierte, musste schon einiges zusammenkommen. Konrads wachsende Befürchtung, die Erwartungen der Gruppe an einen Landsitz könnten ins Kraut schießen, ließ ihn noch in der letzten holzwurmzerfressenen Behausung beschwören, die Hütte müsse man doch eigentlich nur entkernen.
»Entfernen, Konrad. Entfernen müsste man die Hütte«, entgegnete Simone in Kleinzerlang unwirsch. Besonders für sie, unsere Mutter Courtage mit ihrem Gespür für alte Gemäuer, war manch eine Besichtigung Kärrnerarbeit. »Ich will jetzt sofort irgendwo an einen See zum Baden fahren, sonst krieg ich Depressionen«, sagte sie und päppelte, während der Schotter der Zufahrt unter unseren Reifen knirschte, ihren
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