Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Gefühlshaushalt mit Tom Waits wieder auf. »In the Neighbourhood.«
Fast eine Spur zu geschmeidig war demgegenüber das erste Kennenlernen zwischen uns und der Eigentümerin der Lieper Sommerfrische verlaufen. Über die Augen der alten Frau von Plottnitz huschte ein leuchtender Schimmer, als sie mit uns lauter junge Erwachsene, schwangere Frauen und Kinder über den zugewucherten Weg in Richtung des Hauses führte. Des Hauses, das Andine Minuten zuvor als »zu schön« eingestuft hatte und daraufhin schon zur Umkehr in Richtung Autobahn blasen wollte.
»Ach, Sie würde ich hier schon sehr gerne sehen«, sagte die Eigentümerin bereits kurz nachdem sie uns abgefangen hatte und blickte abwechselnd auf Elkes und Simones Bauch. »Wann ist es denn so weit? Sechs Wochen? Wunderbar, in dieses Haus gehören Kinder.« Die Stimmung erhielt gleich zum Auftakt einen Drall ins Großmütterlich-Apfelkuchige, fein abgestimmt mit der bildungsbürgerlichen Grandezza, die Frau von Plottnitz ebenso ausstrahlte.
Quasitherapeutischer Small Talk im Alltag lag mir, und so spornte ich Oma mit Olivenöl in der Stimme weiter an: »Sie müssen hier schöne Zeiten erlebt haben.« So erfuhren wir, dass die Plottnitzens, alteingesessene Lieper, ihren Lebensmittelpunkt in den Fünfzigerjahren nach Berlin verlagert hatten, sich aber aus Verbundenheit mit dem alten Sprengel weiterhin diese Sommerfrische leisteten. Kindergeburtstage, Verlobungen, Hochzeiten – in der Großfamilie von Plottnitz gab es dauernd etwas zu feiern, und alles wurde stets auf diesem Flecken begangen.
»Aber heute« – Frau von Plottnitz hielt inne, und es kam Sorge auf, dass jetzt gleich Tränen fließen könnten –, »heute haben die Kinder kein Interesse mehr. Mein Mann ja sowieso nicht«, sagte sie barsch. Von dem war sie geschieden, erfuhren wir. Auch dass der Ex mittlerweile als verkrachte Existenz wieder in Liepe lebe. »Alkoholiker«, sagte sie nur.
Diese Details kamen sämtlich schon auf den Gartentisch, bevor überhaupt Näheres bezüglich Haus und Hof in Erfahrung zu bringen war. Mit Balken, Mauern und tragenden Wänden kannte sich Frau von Plottnitz auch weniger gut aus. Sie könne das alles nicht mehr bewältigen, sagte sie, würde sich aber wünschen, dass hier wieder eine große Familie einzöge. Auch beim Kaufpreis, laut Annonce hunderttausend Euro, signalisierte sie Verhandlungsbereitschaft. Der alten Dame ging es eindeutig mehr um den Erhalt des emotionalen Fundaments. Damit konnten wir dienen.
»Omabezirzer«, stichelte Jörg in meine Richtung, »du solltest auf Kaffeefahrten Schnellkochtöpfe verkaufen.«
»Warum nicht, wenn uns das Haus erst gehört, holen wir die Seniorinnen per Schiff direkt aus Berlin und bringen sie mit gedecktem Apfelkuchen in Konsumlaune.«
Fabian, der für kreative Finanzierungsvorschläge unserer Immobilienwünsche eigentlich immer ein offenes Ohr hatte, pfiff uns zurück: »Jetzt nicht den zehnten Schritt vor dem ersten, die Herren, immer schön der Reihe nach.«
Erst mal gab es nun wichtigere Dinge zu erledigen. Wir mussten eine Immobilien-GbR gründen, die Finanzierung festschrauben und dann den Vertrag machen. »Alles ganz zackig«, sagte Fabian. Es war gut, einen Vollblutunternehmer in unseren Reihen zu wissen.
Dass es dieses Haus und kein anderes sein sollte, darüber hatte sich die Gruppe schon während dieser ersten Besichtigung auf osmotische Art verständigt. Was es lediglich noch brauchte, war ein guter Plan, wie der Untermieter aus dem ersten Stock zum Auszug bewegt werden konnte. In der Einliegerwohnung lebte ein Künstler, der mit einer Psychotherapeutin liiert war und der sich, wie wir bei der Begehung der oberen Etage feststellten, auf Gemälde von Industrieanlagen und Ölraffinerien kapriziert hatte. Während die meisten nur die Köpfe schüttelten, konnte sich Jörg gut in den Künstlerkollegen und seine Emotionen hineinversetzen.
»Die Makellosigkeit eines solchen Orts musst du auf Dauer irgendwie kompensieren«, sagte er und grinste.
»Dann hast du ja sicher auch schon ein paar Ideen im Torpedorohr, Jörg, mit welchen Schrottskulpturen wir am besten die Schönheit des Anwesens entschärfen«, erwiderte ich.
So schwelgten wir bereits ein bisschen in der Zukunft. Es sollte Frau von Plottnitz’ und nicht unser Problem sein, den Künstler mit seinen deprimierenden Ölbildern dazu zu bewegen, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.
Unser Problem war es vielmehr, aus zwölf Freunden
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