Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Schalter schon umgelegt. Als der zementverkrustete Mischer losmöllerte, war endgültig keine Verständigung mehr möglich. Ebenso hätte man sich auf einem Konzert der Band Rammstein zur Aussprache treffen können. Wie ein Berserker schaufelte Lord Cord Sand und Zement in den Mischer und kippte Wasser hinterher. Dann legte er noch eine Schaufelspitze mit einem weißen Pulver nach. Der Tweed und die Büroschuhe mit den flachen Ledersohlen, die Olli immer verächtlich als Konrads »Krokoletten« bezeichnete, erinnerten noch an den alten Freund. Der Sachverstand, mit dem Konrad den Mischer befüllte, war befremdlich. Er nahm seine Zigarette aus dem Mund und spuckte in den Betonschlund. »Soll die Sache besonders geschmeidig machen«, brüllte er. Dann drückte er mir eine Maurerkelle in die Hand. Nach einer Schrecksekunde kniete ich nieder. Ich wäre von den anderen jetzt wohl als Mimose abgestempelt worden, hätte ich die Lieblingsjeans noch flugs gegen eine andere Hose getauscht, und so widerstand ich diesem dringenden Bedürfnis. Ich spürte, wie die Feuchte des Lehms durch den Stoff auf meine Haut kroch.
Nun hieß es, sich von ganz unten hochzuarbeiten. Außer Legosteinen hatte ich in meinem Leben noch nicht viel aufeinandergestapelt. Konrad stellte mir einen Eimer mit flüssigem Beton hin. Mit jeder Ziegelreihe, die ich legte, war eine leichte Steigerung meiner Kunstfertigkeit zu erahnen. Jedenfalls, wenn man die Sache mit viel Wohlwollen betrachtete. Unten war noch alles überzogen mit viel zu viel Mörtel, weiter oben waren die Steine schon behänder gesetzt, der Verbundstoff sparsamer aufgetragen. Ganz oben blieb eine Lücke, in die kein Stein mehr reinpassen wollte. Konrad nahm einen Ziegel und schlug ihn gegen die Spitze eines herumliegenden Feldsteins. Das Bruchstück, das er mir anreichte, ließ sich einfügen wie ein maßgefertigtes Puzzleteilchen. Der Mischer kam zum Stillstand, und auch das Rüttelmonster und der Bagger schwiegen inzwischen. Ich blieb auf den Knien und betrachtete die Mauer.
»Wacker, wacker, sieht doch schon ganz gut aus«, lobte Konrad.
»Wenn ihr mich nicht hättet«, erwiderte ich. »Ich sag mal so, von der unteren bis zur oberen Reihe lassen sich im Prinzip sämtliche Bauepochen nachvollziehen – von der sumerischen Lehmbauweise bis zur norddeutschen Backsteingotik.«
Der Lord kicherte. »Na ja, ganz so weit bist du meines Erachtens noch nicht.« Er strich fachmännisch über mein Mäuerchen. »Aber müsste halten.«
»Man muss sich an den kleinen Dingen aufrichten«, sagte ich.
SPUR DER STEINE
»Habt ihr das gesehen? Olli Geyer entwickelt sich noch zum Superhandwerker.« Konrad stimmte eine wahre Eloge auf mich an.
»Ball flach halten«, sagte ich und genoss das Lob vor versammelter Mannschaft.
Genau genommen hatte ich ja nur ein paar Ziegel aufeinandergestapelt und sie mit Zement zusammengeklatscht. Nüchtern betrachtet. Aber nüchtern war kaum noch jemand, als wir am Abend dieses Tages, der ganz im Zeichen des Zuschüttens der Gräben und der Festigung unseres Hausfundaments stand, schließlich am bullernden Küchenofen zusammenkamen. Was interessierten da noch die Fakten? Es überwog die allseitige Erleichterung, dass die Plackerei und damit hoffentlich auch die gruppeninternen Spannungen ein Ende hatten.
Wir stießen auf den Mauerbau an.
Speziell Konrad und ich freuten uns über die unerwartete Form der Versöhnung, einer, bei der erst mal nicht viel Worte gemacht worden waren. Es handelte sich, wenn man so wollte, um ein ganz neues Konzept von Versöhnung, nämlich Versöhnung am Bau. Und die Glorifizierung des gemeinsam Gemauerten konnte man noch getrost als Bestandteil des Rituals verbuchen. In internationalen Konflikten wird gern und oft das Bild der Mauern beschworen, die man einreißen solle, um wieder zu einem friedlichen Miteinander zu finden. Hier in Maltrin war bewiesen worden, dass man es ruhig auch mal mit dem Gegenteil versuchen konnte.
»Vielleicht sollten verfeindete Staatschefs hin und wieder gemeinsam ein Mäuerchen hochziehen, dann wäre die Welt ein friedlicherer Ort«, dachte ich laut und traf auf allseitige Zustimmung.
Auf die wortkarge Versöhnung mit Maurerkelle und Betonmischer folgte nun eine Nachlese, bei der wir dann doch noch redselig wurden.
»Ich hatte schlicht Angst vor Absetzbewegungen und dass die ersten Miteigentümer dem Projekt die Gefolgschaft aufkündigen könnten«, erklärte sich Konrad. Darum die Überreaktion. Außerdem
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