Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
sei er selbst schlichtweg überfordert gewesen.
Nun wechselte auch ich in einen besonnenen Ton: »Ach, überfordert waren wir doch alle. Ich hab zwar zugegebenermaßen etwas übertrieben, aber volle Windeln, platzende Rohre, mehrere Jobs mit Wochenendarbeit, das war schon wirklich ein bisschen viel auf einmal. Darum habe ich wohl so scharf zurückgeschossen, seht es mir nach.«
In diesem Moment krähte das Babyfon. Die perfekte Gelegenheit, mich noch einmal als das fleischgewordene väterliche Verantwortungsbewusstsein zu präsentieren. Ich sprang auf und rannte aus dem Raum.
Nach gut einer halben Stunde kehrte ich zurück und brachte, um mein neues Maltriner Engagement zu unterstreichen, einen Korb voll frischem Kaminholz mit, das ich im Holzschuppen eingesammelt hatte. Ich warf ein großes Scheit durch die Ofenklappe in die Glut. Es wurde mollig. An dem Küchentisch aus Altbaudielen, die Jörg in den vergangenen Wochen auf Berliner Sanierungsbaustellen eingesammelt und zusammengespaxt hatte, schwang das Pendel mit Wucht in Richtung Harmonie. Einträchtig stellten wir fest, dass wir als Gruppe dank unserer Zechliner Zeit im Prinzip ja schon ganz gut eingespielt waren. In einer gänzlich unerprobten Gruppe wäre mit den Abwasserrohren höchstwahrscheinlich auch gleich das ganze Landhausprojekt geplatzt, wurde gemutmaßt.
Es zeichnete uns aus, dachte ich, dass wir im Handumdrehen ein Desaster in einen Erfolg ummünzen konnten. Sicher war das eine hilfreiche Eigenschaft für das, was wir noch so alles vorhatten. Einig war sich die Runde inzwischen auch, dass nicht an jeden von uns zu jeder Zeit die gleichen Maßstäbe angelegt werden könnten. Dass je nach Lebenssituation der Beitrag des Einzelnen eben ein anderer sein würde, sich Lebenssituationen bekanntlich auch wieder ändern und damit die Kapazitäten, sich einzubringen. Mit etwas größeren Kindern werde man umso mehr beitragen können, weil die Kids einem dann sicher wie Heinzelmännchen unter die Arme greifen würden. Wenn es an das eigentliche Großprojekt, den Scheunenumbau gehe, wäre man dann sicher schon sehr viel besser aufgestellt. Bestimmt. So malten wir uns das aus.
Als der Harmonie-Airbag prall aufgeplustert war, wies Mette noch einmal darauf hin, dass einige der männlichen Miteigentümer eben auch ziemliche Alphatiere seien, die das Kleinbeigeben nicht erfunden hätten. Ein Einwurf, den ich mit dem Vorschlag konterte, dass wir die Scheune dann eben für eine artgerechte Alphatierhaltung ausbauen müssten.
Wenn die Mitbewohner über meine Witze lachten, dann liebte ich sie wieder. Als Absender von E-Mails konnte jeder auf seine Art ziemlich penetrant werden. Aber man musste sich nur zusammen an irgendeinen Tisch oder Tresen setzen, dann wirkte die Selbstironie als krampflösendes Mittel, und das gruppenpsychologische Autoimmunsystem funktionierte wieder. Dann kamen die Lacher so sicher wie bei einer Sitcom. Da wir um eine schiefe historische Metaphorik selten verlegen waren, bekam das Abwasserdebakel den Namen »Gräben von Verdun«, der vergangene Tag des Friedensschlusses wurde entsprechend als »Versailles« tituliert. Mit einem anschaulichen Etikett auf dem Vergangenen wirkte auch die Zukunft gleich viel berechenbarer.
Wir stießen noch mal auf den Mauerbau an und gleich darauf auf die Scheune.
Es gab da nur vage Vermutungen, ob November der richtige Zeitpunkt sei, aber am nächsten Morgen schlüpften wir gleich nach dem Frühstück in die Gummistiefel und bewarfen den Lehmboden unseres Gartens mit Rasensamen. Eine ebene Fläche war eindeutig etwas anderes, und einige Extrarunden mit dem Planiermonster hätten nicht geschadet. Vermutlich hätten Gartenspezialisten die Erde vorher auch noch etwas aufgelockert oder sonst wie bearbeitet. Doch größer als alle botanischen Bedenken war der Wunsch, Gras über diese geknüppelte Erde wachsen zu sehen – und zu säen. Selbst Konrad, der sich in Gartendingen schon zu Zechliner Zeiten gerne zunächst durch einen Blick in die einschlägige Ratgeberliteratur kundig gemacht hatte, wäre es nicht in den Sinn gekommen, den neuen Elan im Keim zu ersticken. Von gärtnerischen Detailfragen mal abgesehen war das eindeutig die richtige Aktion zur richtigen Zeit, um vor dem Wintereinbruch Zuversicht und Vorfreude auf den Frühling zu stiften.
Ylva hatte die Berliner »Tiergartenmischung« besorgt. »Love-Parade-erprobt«, sagte sie und zeigte uns stolz die Packung. »Ich denke mal, die müsste dann auch
Weitere Kostenlose Bücher