Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Eltern einen wahren Oldtimer, die cremefarbene Filterkaffeemaschine »Robusta« von der deutschen Firma Rowenta aus dem Kellerregal, um sie nach Maltrin zu bringen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, die Mitbewohner auf den Trip einschwören zu können, dass dem Filterkaffee ein großes Comeback bevorstünde, dem wir gemeinsam Vorschub leisten und so ein Stück Kaffeegeschichte mitschreiben könnten. Diesen Kaffee musste ich alleine austrinken. Denn als ich mit meiner Robusta in Maltrin anrückte, hatte zwischenzeitlich Elke eine semiprofessionelle Gastronomie-Kaffeemaschine mitgebracht, mit der sie von der Herstellerfirma für ein Fotoshooting der Geräte für die Produktbroschüre des Unternehmens entlohnt worden war. Jörg stachelte indessen Teile der Gruppe an, sich den Kaffee aus Protest vorerst mit dem puren Kaffeepulver in der Tasse als »Indianerkaffee« aufzugießen, während Olli immer noch eine Lanze für seine Bodumkanne brach. Mithin, in Kaffeefragen hatte sich auf dem Weidenhof ein Individualismus – ein Espressonismus – Bahn gebrochen, den ich in der lauen Mittsommernacht nach unserem Plenum einfach mal frei assoziierend als das Spiegelbild des weltanschaulichen Eigensinns der Mitbewohner verbuchte.
»Alles Gute beginnt mit einem guten Kaffee, heißt es doch schon in der Werbung von McCafé. Warum soll das nicht auch für eine Landkommune gelten? Hier trinkt doch auch jeder seinen eigenen ideologischen Aufguss.«
»Aber jetzt mal ehrlich«, warf Jörg ein, »bei dem kaltschnäuzigen Egoismus, der heute überall herrscht, könnte der Gesellschaft ein bisschen mehr ›Einer Ist Keiner‹ eigentlich nur guttun.«
Konrad roch Lunte. »Ja, aber damit geht die Bevormundung dann auch schon los. Die Linken sind immer schnell dabei, jegliche Individualität abzuwürgen. Von daher sage ich ganz klar: Wehret den Anfängen! Warum überhaupt soll einer keiner sein? Einer ist einer, und zwei sind zwei. Kann man es nicht mal bei dieser einfachen Wahrheit belassen und jeden sein Glück selbst finden lassen? Ohne den ganzen doktrinären Theoriewahn?«
De facto stand bei uns das individuelle Bedürfnis nicht mehr wie zu Zeiten von »Einer Ist Keiner« unter dem Verdacht der Bürgerlichkeit. Die Zeiten, in denen alles in die Gleichung »Familie ist Hölle« gepresst wurde, waren ja nun längst vorüber. Individuelle Bedürfnisse waren nach der Maltriner Binnenlogik höchstens mal für ein Stündchen zu unterdrücken, solange das Bad okkupiert war. Man konnte nach einer Maltrinüberdosis sogar ungestraft in aller Öffentlichkeit sagen: Schatz, nächstes Wochenende will ich aber, dass wir auch mal wieder irgendwas alleine unternehmen. Wer sich in dieser Art äußerte, der musste nicht fürchten, dass ihm eine autoritäre Charakterstruktur diagnostiziert wurde – autoritäre Anwandlungen beschränkten sich auf vereinzelte Einpeitscher-E-Mails. Obendrein verhielt es sich so, dass Andine nur zu Konrad Schatz sagte, ich nur zu Simone, Jörg nur zu Elke und Jana nur zu Olli. Bislang jedenfalls hatten wir uns in der Landkommune Maltrin die Freiheit genommen, auf freie Liebe zu verzichten. Wer sich auf den Weg zurück in die Stadt machte, nahm die Mitbewohner noch mal kurz in den Arm, durfte aber auch offen eingestehen, dass es nicht das Schlechteste war, nun erst einmal wieder ein oder zwei Wochen Ruhe vor den Kommunarden zu haben. Von symbiotischen Verschmelzungsfantasien war keine Spur. Man setzte sich ins Auto und kehrte in jene Lebensform zurück, die in den Siebzigerjahren noch mit dem Stigma Kleinfamilienhölle belegt war. Nicht zu reden davon, dass es niemandem von uns in den Sinn gekommen wäre, das Privateigentum abschaffen zu wollen. Doch bitte nicht just in dem Moment, wo wir uns gerade ein Haus angeschafft hatten.
Olli, dem in Diskussionen der Ausgleich mehr lag als der Konflikt, startete einen Vermittlungsversuch zwischen Jörg und Konrad: »Vielleicht sind wir hier in Maltrin ja gerade das soziale Labor, in dem das Verhältnis von Wir und Ich neu austariert wird.«
Mette lachte. »Geht’s eine Nummer kleiner? Müssen wir jetzt unbedingt eine kulturelle Großleistung herbeireden, die wir hier vollbringen?«
»Auf jeden Fall, Großleistungen, das wollen wir«, erwiderte ich, »ich bitte um weitere Vorschläge.«
Es wurde kurz überlegt. Die Runde teilte sich grob in zwei Lager. Die wenigen, die auf dem Boden der Tatsachen bleiben wollten, und jene, die unbedingt wahrhaben wollten, dass die ideologische
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