Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
vereinzelt, in der Hitze des Grills oder Lagerfeuers, auf. Die Positionen waren inzwischen bekannt, und es gab wichtigere Projekte, die mehr Aufmerksamkeit erforderten. Grundsätzlich, so schien es, hatte es den meisten von uns der Gedanke angetan, dass unsere Landkommune nicht in eine ideologische Richtung gebürstet war und jenseits der traditionellen politischen Verwerfungslinien stand. Auch das überkommene Schema von guter Kommune hier und böser Welt da draußen verfing nicht mehr so recht. Wir hatten gemeinsam einen Hof gekauft, aber nicht zusammen die Wahrheit gepachtet. Der Umgang mit Meinungen und politischen Positionen war ein spielerischer. Konrad erschien mit einem Haifischlächeln im Gesicht in einem T-Shirt, auf dem Neoliberaler stand. Olli zündete demonstrativ mit Konrads alten Ausgaben des Economist den Küchenofen an. Die Alphatiere gaben sich gegenseitig ironischen Spielraum.
Überhaupt erfreute man sich an der ironischen Pflege von Vorurteilen, als deren Goldstandard ein Meinungsaustausch galt, den Olli, Steve und ich einmal über die Stadt Rüdesheim geführt hatten. Die Runde war sich auf Anhieb einig, dass die Stadt Rüdesheim ein unerträglich provinzielles Nest sei, und zeichnete das Bild Rüdesheims in den düstersten Farben. Dann stieß Konrad hinzu und merkte an, dass er der Stadt Rüdesheim schon mehrere Besuche abgestattet und jedes Mal den besten Eindruck von einer sympathischen Stadt mit alter Weintradition gewonnen habe. Woraufhin Konrad gemaßregelt wurde, dass er nicht mitreden könne, wenn er schon mal dort war.
Und doch, aller Ironie zum Trotz drängte sich nach der Vorstellung der Rappelkistenfolge »Einer Ist Keiner« und umschwirrt von irrlichternden Glühwürmchen auf unserer Terrasse für einen Moment lang der Gedanke auf, dass wir hier womöglich vom Mantel der Geschichte gestreift wurden.
»Vielleicht sind wir ja die erste Kommune«, dachte Konrad laut, »die verstanden hat, dass die Absage an jede ideologische Form von Gemeinschaft die Erfolgsbedingung von Gemeinschaft ist.«
»Eine Kommune mit ideologisch unideologischer Grundausstattung«, ergänzte ich.
»Könnte was dran sein«, sagte Elke, »ich glaube ja auch, dass es hier ganz gut funktioniert, weil letztendlich jeder seins machen kann.«
»Geht ja schon beim Kaffee los«, sagte ich.
Seit unserem Einzug in Maltrin hatte hinsichtlich der Kaffeezubereitungstechniken eine beeindruckende Evolution und Diversifizierung stattgefunden. Eingestiegen waren wir mit Ollis alter Bodum-Drückkanne, die schon einige Jahre Dauereinsatz in Zechlin auf dem Buckel hatte. Dort war sie mit einer Schlagzahl runtergedrückt worden, dass manch einer kurz vor der Sehnenscheidenentzündung stand. In den Wochen der Generalgemütlichmachung schleppten Elke, Simone, Mette und Andine dann in kurzen Abständen ausrangierte Espressokannen in allen erdenklichen Größen an – damit man sich schnell mal so ein Tässchen aufsetzen konnte sowie aus geschmacklichen Gründen. Bald kam es zu ersten Meinungsverschiedenheiten, welche Kanne aus welchem Kaffee welches Aroma besser rauskitzelte – wobei die Espressokännchen gegenüber der Bodumkanne tendenziell besser abschnitten. Alldieweil geriet Konrad das Kaffeekochen mit einem dieser Metallkännchen wegen eines fehlenden Gummi-Abdichtrings zu einem buchstäblichen Espresso-Vulkanausbruch: Der kaffeebraune Sprenkelschweif an der Decke über dem Elektroherd gemahnte noch lange an dieses Inferno. So risikofreudig Konrad in den meisten Lebensbereichen auch war, nach diesem Fiasko besorgte er sicherheitshalber einen nicht ganz billigen, aber dafür TÜV -geprüften Kaffeezubereiter, in den man kleine mit Kaffeepulver befüllte Filterpapierkissen einlegte, die sogenannten »Pads«. Mit der Pad-Maschine könne man sich wunderbar einen exakt portionierten Kaffee zubereiten, ohne jedes Mal Leib und Leben zu gefährden, verteidigte Konrad die Investition. In mir wiederum brachte diese Anschaffung einen schon länger gärenden Überdruss an Egoistenkaffeemaschinen mit Pads, Alupatronen und sonstigen Umweltschweinereien zum Brodeln. Nach meinem Dafürhalten führte dieses Teufelszeug, das sich epidemisch im Lande ausbreitete, nicht nur das gesellige Element der gemeinsamen Kaffeepause ad absurdum, es machte auch viel Show um eine lauwarme Plörre mit wenig Geschmack, deren Ungenießbarkeit mit viel Milchschaum überdeckt werden musste. Beim nächsten Bielefeldbesuch kramte ich deshalb im Keller meiner
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