Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
anderen Weidenhofer schon zu Bett gegangen waren, häufiger mal noch mitten in der Nacht volltrunken zum Obi-Talk in die Scheune rein- und mit neuen hochprozentigen Umbauplänen wieder rauswankten.
»Gut, dass wir die Scheune als nächtlichen Unterstand für Konrads Ego haben«, scherzte ich über meinen Kontrahenten aus Verdun-Zeiten.
Je vertrauter einem die anderen wurden, desto mehr war man sogar geneigt, politische Positionen als eine Art Marotte zu verbuchen, speziell solche, die quer zu den eigenen lagen. Hatte es am Vorabend noch hitzige Diskussionen mit Konrad gegeben, in denen mir seine Haltung phasenweise als Inbegriff eines gefühlsvergessenen Wirtschaftsliberalismus in Verbindung mit dem typischen ökologischen Fatalismus vorgekommen war, sah ich das mit Olli und von der Gartenbank aus betrachtet schon wieder in viel milderem Morgenlicht – ähnlich wie man Opa nachsieht, dass er gerne Marschmusik hört. Außerdem war ja Zeit genug, am eigenen Standpunkt noch eine ganze Weile zu feilen. Die Argumente des Antagonisten in ein paar Jahren aufzuknacken wäre ja auch noch früh genug – die Diskussionen hier würden ohnehin nie enden.
Konrad selbst war schließlich stolz darauf, dass wir als Kollektiv weltanschaulich heterogen waren und nicht alle einer Meinung, so wie es vermutlich in den Wohngemeinschaften der Siebzigerjahre der Fall war beziehungsweise erzwungen wurde.
Wie bemerkte Konrad noch so sinnfällig in der Diskussion nach der Vorstellung der Rappelkistefolge auf unserer Seeterrasse?
»Obwohl, im Grunde sind wir ja auch eine ideologische Landkommune, nur dass hier jeder seine eigene Ideologie hat.«
Ein Mittsommernachtstraum?
Nein, wo Konrad recht hatte, da hatte er recht. Simone pflegte ihren linksromantischen Anarchismus. Andine hatte diesen hinter sich gelassen und war unterwegs zu einem mehr erwachsenen Pragmatismus, der besonders empfindlich auf pubertäre Abgrenzungsbemühungen gegenüber Spießern reagierte. Olli hatte politisch gesehen den Stallgeruch des Landwirtschafts-Ministerialbeamten und musste von Berufs wegen wenigstens mit einer Gehirnhälfte ans System glauben. Ylva und Mette ließen sich ihren Glauben an den schwedischen Konsens-Sozialismus von Konrad ohnehin nicht austreiben. Niels’ Ideologie war das Web und dessen liberalisierende Wirkung in allen Lebenssphären. Und Fabian und Steve hatten sich von Künstlern zu Unternehmern gemausert.
Doch dann war da bei jedem irgendeinen Aspekt, der direkt wieder einen Kratzer in den weltanschaulichen Lack brachte und der vor den Mitbewohnern langfristig nicht zu verbergen war: Simone ließ sich von ihrem Immobilienonkel als Vorkämpferin der Gentrifizierung ehemaliger Alternativquartiere einspannen. Olli mutierte immer noch, kaum hatte er die Bürotür hinter sich zugeschlagen, nach Feierabend wie ein Werwolf zum Counterculture-Animal. Fabian pflegte auch als Unternehmer weiterhin regen Umgang mit seinen alten Freunden aus der Künstlerszene, die alles, was mit Wirtschaft zu tun hat, aus dem Bauch heraus ablehnten. Und Konrads bester Freund war strammer Kapitalismuskritiker: Jörg.
Der Künstler und der Ökonom waren alte Freunde. Kennengelernt hatten sich Konrad und Jörg als Teenager in der Schule, nachdem Konrad mit seinen adeligen Entwicklungshilfe-Eltern nach Deutschland zurückgekehrt war. Die beiden setzten sich in derselben schulischen Arbeitsgruppe für ein neues Jugendzentrum ein und bauten das »Juz« als Doppelspitze gemeinsam auf. Zu »Juz-Zeiten« war Konrad noch ein Irokese und Jörg ein Rastakopf. Sie tanzten Pogo und grölten: »Keine Macht für niemand«, obwohl sie im Juz die Macht längst innehatten. Noch in Maltrin waren Jörg und Konrad beide fest davon überzeugt, ungebrochen in dieser Juz-Tradition zu stehen, wobei der eine dem anderen dies nicht mehr so recht abkaufen wollte.
Konrad sagte zu Jörg: »Was ich den Linken vorwerfe, ist, dass sie immer bei ihren schönen Ideen stehen bleiben und sich nicht um die Umsetzbarkeit kümmern. Trotzdem ist ›Keine Macht für niemand‹ immer noch mein Leitspruch. Man muss den übergriffigen Staat in seine Schranken weisen.«
Jörg sagte zu Konrad: »Wenn du heute immer noch ›Keine Macht für niemand‹ forderst, Konrad, dann heißt das doch nur noch, dass der Staat sich nicht in die Wirtschaft einmischen soll. Und was bitte ist mit der Macht der Unternehmen? Was ist mit den übergriffigen Konzernen?«
Aber politische Scharmützel wie diese brachen nur noch
Weitere Kostenlose Bücher