Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Joggingrunde erzählst, mit dem, was Mike und Jürgen auch schon erzählt haben.«
»Wieso, was erzählen sie denn?«
Lord Cord stülpte den Economist mit dem Titel »Germany: Europes Engine« als Sonnenschutz übers Gesicht und räkelte sich auf dem Frottee.
»Dass der Gerland, wenn brave Bürger auf den Feldwegen rund um sein Anwesen spazieren gehen, seinen Förster losschickt, um die Leute mal ein bisschen aufzuscheuchen.«
Die Mittagshitze war niederschmetternd. Keiner machte eine Bewegung zu viel, nur die Kinder hatten noch die Energie, mit ihren Keschern im Schilf Frösche zu fangen. Die Großen scheuten noch die Anstrengung, aufzustehen und in den See zu springen. Als hätte der Großindustrielle den Zaun schon errichtet, verharrten alle, anstatt das Naheliegende zu tun und sich im See abzukühlen, auf ihren Handtüchern. Das einzige Geräusch, das Maltrin als Dorf an diesem Tag absonderte, waren die aus großer Entfernung rumorenden Mähdrescher, die in regelmäßigen Abständen von den Feldern zurückkehrten. Dann war wieder Stille. Ich griff mir einen dicken Stein und warf ihn im hohen Bogen in den See: Palotsch!
»Aber kann man denn in Brandenburg so ohne Weiteres einen See kaufen?«
»Bin nicht sicher. Wir sollten am besten mal mit Bodin senior sprechen,« brummte es unter der Zeitschrift.
»Wer zum Teufel ist jetzt schon wieder Bodin senior?«
Unter dem Economist kam nur noch ein genervtes Stöhnen hervor.
Statt Konrad raffte Fabian sich auf, mir eine kurze Maltrin-Nachhilfe zu geben: »Bodin ist der Vater von dem Schwager von Mike, den uns Schröder während der Gräben von Verdun als Installateur empfohlen hat. Wolles Mann für ›Jas, Wassa, Scheiße‹.«
»Der ist im Angelverein und im Gemeinderat, der muss es wissen«, meldete sich der Economist zurück, »aber jetzt ist erst mal Siesta«.
Für ein halbes Stündchen war nur noch Kindergekicher und Froschgequake zu vernehmen. Nicht mal Olli schnippte mehr Sand von seiner Decke. Bis sich Konrad urplötzlich aufrichtete und den Economist auf den vertrockneten Rasen feuerte.
»Okay, das mit dem See lässt mir keine Ruhe. Wer kommt mit, Bodin einen kurzen Besuch abzustatten?«
Kurt Bodin wohnte auf der anderen Seite Maltrins in einem Einfamilienhaus ganz am Ende einer Betonplattenstraße, die gesäumt war von Kleinstplattenbauten, wie sie in der DDR extra für ländliche Regionen entwickelt worden waren. Der Seniorchef der Klempnerei war ein gealterter Tom Selleck, ein Oldschooler mit einem grau-weiß melierten Monumentalschnurrbart. Er saß in seinem weiß gekachelten Wohnzimmer auf einer dunklen kurvenförmigen Kunstledercouch, hinter der ein Airbrush-Gemälde mit einem grellen karibischen Sonnenuntergangsmotiv prangte. Auf dem Flatscreen, der in einen inwendig beleuchteten Glaswohnzimmerschrank integriert war, lief eine Fußballübertragung. Frau Bodin deckte auf der Terrasse unter der Markise den Kaffeetisch. Sie ermahnte ihren Mann, sich kurz zu fassen. Die Bodins erwarteten Besuch zum Kaffee.
Doch der alte Klempnermeister hatte keine Ohren mehr für seine Gattin. Nachdem Bodin sich meinen Bericht von den morgendlichen Jagdszenen zu Felde angehört hatte, war er sichtlich entrüstet.
»Für mich ist das Gutsherrenart von der schlimmsten Sorte! Wie soll man das sonst nennen, was der Gerland hier veranstaltet? Ich könnte Ihnen stundenlang watt erzählen.« Doch dann wollten Meister Bodin die Details erst mal gar nicht so recht einfallen. Er hatte mit Besuch zum Kaffee gerechnet, nicht mit uns, und seine Erlebnisse mit Gerland waren wohl schon halb verdrängt. Um sie hervorzukramen, schluffte er in seinen Lederpuschen mehrfach ins Nebenzimmer und kehrte mit Akten zurück, die er auf dem Kacheltisch stapelte. Schriftstück für Schriftstück präsentierte uns der Klempnermeister Ärgernis um Ärgernis. Bodin sprach dabei die dezente, durch den kleinen sozialen Aufstieg abgemilderte berlinerische Mundart der Gewerbetreibenden, die gelegentlich und besonders, wenn sie wütend wurden, in ihr Hochdeutsch noch ein »Icke« oder »weeß nich« einstreuen. Nach und nach ergab sich so ein Tableau von Tatsachen, Hinweisen und Indizien.
Vor zwölf Jahren war Gerland junior das erste Mal in der Region aufgetaucht. Wenn eine schwere Limousine mit Westkennzeichen hier aufkreuzte und vor dem verfallenen Prachtbau zu Bürzow stoppte, dann machte das sofort die Runde. Das Gerücht, der Industriellensohn aus Hessen strecke seine Fühler in ihrer Gegend
Weitere Kostenlose Bücher