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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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Angst, sie würde mich dabei ertappen, wie ich auf ihre Brüste starrte, wendete ich mich nach einem kurzen Blick wieder dem Meer zu. Ralph war nirgends zu sehen. Der Strand lag in einer Felsenbucht,die auf der einen Seite eine Halbinsel bildete, gegen die raue Wellen schlugen. Es wäre ein bizarrer Anfang unseres Urlaubs, dachte ich, wenn Ralph schon am ersten Tag ersaufen würde. Oder vielleicht nicht gleich ersaufen, aber zumindest hustend und prustend und nach Luft schnappend auf den Kieselstrand gezogen werden müsste. Ja, es war ein Arzt unter den Strandgästen. Es war an mir, ihm die Mund-zu-Mund-Beatmung zu verpassen, ihn auf den Rücken zu drehen und seinen Bauch zu massieren, damit er das Meerwasser ausspuckte. Ich stellte mir den Kuss des Lebens vor, er würde todsicher nach Tintenfisch schmecken. Wir sind in einem Fischrestaurant! Ich musste lachen.
    »Marc! Marc!«
    Da stand er, auf dem höchsten Punkt der Halbinsel. Er hatte seine Taucherbrille mit Schnorchel auf die Stirn geschoben und winkte.
    Ich fasste einen Entschluss. Er sollte, wie mir in dem Moment klar war, für den weiteren Verlauf unseres Urlaubs weitreichende Folgen haben. Ich zog T-Shirt, Hose und Unterhose aus. Den Rücken zum Strand und so nah wie möglich an der Stelle, wo die Wellen über die Kieselsteine schwappten. So hatten alle einen freien Blick auf meinen völlig nackten Körper, wenn auch nur von hinten, der am wenigsten anstößigen Seite, wie ich hoffte. Ich nahm die Badehose, die ich in ein Handtuch gerollt hatte, und zog sie an. Es waren Shorts, die bis kurz über das Knie reichten, mit Blumenmuster, aber nicht bunt, alles in Schwarz-Weiß. Dass ich am ersten Tag am Meer eine Badehose anzog, bedeutete, dass ich von nun an immer eine anziehen würde – auch am Swimmingpool.
    »Hier, Marc. Hier, das musst du sehen!«
    Als ich Ralph erreichte, gab er mir die Taucherbrille. »Direkt unter mir. Er klebt am Felsen, ein ganz großer.« Er zeigte die Größe mit den Händen an. »Ein Tintenfisch. Riesig. Das wird ein Schmaus heute Abend!«
    Stanley und Emmanuelle kamen nie mit zu den abgelegenen Buchten und Kieselstränden. Meist blieben sie im Sommerhaus, wo Stanley auf der Terrasse am Drehbuch für Augustus arbeitete, während Emmanuelle langsame Bahnen im Swimmingpool zog. Oder sie machten Ausflüge zu den Dörfern und Städten der Umgebung und besuchten Museen, Kirchen und Klöster. Stanley hatte eine Digitalkamera mit einem großen Display. Abends zeigte er uns die Fotos, die er am Tag gemacht hatte. Von Kirchtürmen, Säulengängen und Klostergärten. Ich heuchelte Interesse, was mir schwerfiel. Viele Aufnahmen waren von Emmanuelle. Emmanuelle mit angezogenen Beinen auf einer niedrigen Mauer bei einer Reiterstatue; Emmanuelle in koketter Pose vor einem Teich, in dessen Mitte ein Springbrunnen aus wasserspeienden Karpfen stand; Emmanuelle auf einer Terrasse an einem weiß gedeckten Tisch, auf dem der mit einer weißen Serviette drapierte Hals einer Flasche aus einem Weinkühler ragte; Emmanuelle, die an dem Bein einer Krabbe oder eines Krebses lutschte. Die Fotos von Emmanuelle waren bei Weitem in der Überzahl. Einmal zeigte Stanley ein Foto von ihr länger als sonst, ein verträumtes Lächeln auf dem Gesicht. »Ist sie nicht wunderbar?« Er hatte recht. Auf dem Foto war etwas mit Emmanuelle geschehen. Sie hatte sich von sich selbst gelöst, von ihrer physischen Anwesenheit, die vorwiegend Trägheit und Gleichgültigkeit ausstrahlte. Stanley machte einen ziemlich selbstvergessenen Eindruck, als er das Foto betrachtete. Als hätte er es aus einer Zeitschrift herausgerissen, der Art von Zeitschrift, die Jungens unter der Matratze verstecken.
    Manchmal verbrachten wir den Tag auch von morgens bis abends am Swimmingpool. Gegen Mittag warf Ralph den Grill an, Judith holte die ersten Bier- und Weinflaschen aus dem Kühlschrank. Dann nahmen wir auf der Terrasse eine »leichte Mahlzeit« zu uns. Den Rest des Nachmittags lagen wir in den Liegestühlen, die Erwachsenen nickten meist rasch ein. DieJungen hatten vom ersten Stock des Hauses bis zum Sprungbrett ein Seil gespannt, an dem sie sich bis über das Becken herunterhangelten, um sich dann ins Wasser fallen zu lassen, beklatscht von unseren Töchtern, denen wir die Kletterpartie verboten hatten. Während des Grillens behielt Ralph seine kurze Hose noch an, doch man merkte an allem, dass er es kaum erwarten konnte, sich ihrer nach der Mahlzeit zu entledigen. Das Wasser schwappte

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