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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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überlegen fühlen, bloß weil sie sich mit Kunst beschäftigen. Und auf die herabsehen, die für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten. Sogar auf Menschen, die andere heilen. Wie dich.«
    »Caroline …«
    »Warte, ich bin noch nicht fertig. Das ist es nämlich, was mich immer noch am meisten kränkt. Wie sie dich behandeln. Ich frage mich manchmal, ob du es überhaupt merkst.Ich merke es jedenfalls. Sie sehen auf dich herab, Marc. Für sie bist du nur ein dummer kleiner Arzt. Ein Nichts, weil du keine Scheißgemälde malst, die niemand haben will. Weil du keiner von denen bist, die ständig um Geld betteln für die zigste überflüssige Theateraufführung oder den soundso vielten unbedeutenden Film, für den sich eh kein Mensch interessiert. Ich merke es an allem. Auch an der Art, wie sie mich anschauen. Ich bin natürlich noch erbärmlicher als du. Die Ehefrau des Arztes. Der letzte Dreck. Wie viel tiefer kann man noch sinken?, denken die und schauen sich nach einem interessanteren Gesprächspartner um. Je schneller sie die langweilige Arztfrau wieder los sind, desto besser.«
    »Caroline, du darfst dich nicht selber so …«
    »Ich bin noch nicht fertig. Hör mir bitte noch einen Moment zu. Danach erwähne ich es nie mehr. Nie mehr. Das verspreche ich dir.«
    Ich nahm ihre Zigarette und zündete mir meine damit an.
    »Ich höre«, sagte ich.
    »Marc – ich halte es einfach nicht mehr aus. Ich konnte es aushalten, solange ich wusste, dass du darüberstehst. Aber ist das eigentlich noch so? Stehst du noch darüber?«
    Ich dachte darüber nach. Ich hatte oft genug, wenn mir alles zum Hals raushing, fantasiert, wie es wäre, wenn ich ihnen allen eine Spritze verabreichen würde. Wäre das ein so großer Verlust? Welche Filme, die »unbedingt gemacht werden müssten«, wie einer meiner Patienten es einmal formulierte, würden in dem Fall nicht gemacht werden? Welche Gemälde würden nicht gemalt, welche Bücher nicht geschrieben? Kurz und gut, würde es wirklich so ein Verlust sein? Würde es überhaupt jemand merken?
    Manchmal hatte ich zwischen zwei Patienten eine halbe Minute Zeit für mich. Dann stellte ich mir vor, wie ich vorgehen würde. Ich würde einen nach dem anderen hereinrufen. Den linken oder den rechten Arm? Bitte rollen Sie Ihren Ärmelhoch. Es ist nur eine kleine Spritze, gleich vorbei. Innerhalb einer Woche wäre die Sache geritzt. Die Filmpläne würden auf Eis gelegt. Die Aufführungen würden abgesetzt. Die Bücher blieben ungeschrieben. Würde wirklich etwas verloren gehen? Oder würde schon bald Erleichterung herrschen?
    »Was lachst du denn?«, fragte Caroline.
    »Ach, ich dachte gerade daran, wie es wäre, wenn es sie alle nicht mehr gäbe«, sagte ich. »Meine Patienten. Wenn ich noch mal von vorne anfangen würde. Ich hänge ein Schild an die Tür, auf dem steht: Ab heute nehmen wir nur noch ganz normale Leute. Leute mit einem geregelten Arbeitstag.«
    Ich zog an meiner Zigarette und inhalierte tief. Es fühlte sich gut an, wie beim allerersten Mal damals auf dem Schulhof. Und wie beim ersten Mal bekam ich einen Hustenanfall.
    »Vorsichtig, Marc«, sagte Caroline. »Du bist es nicht mehr gewöhnt.«
    »Was meinst du eigentlich damit, dass ich nicht mehr darüberstehe? Warum glaubst du das?«
    »Ich weiß nicht, aber irgendwie hat sich etwas geändert, seit du diesen Ralph Meier kennst. Es ist, als ob … es ist fast so, als würdest du ihn bewundern. Das gab es vorher nie, dass du Patienten bewundert hast. Du fandst doch immer alles schrecklich – all diese Premieren. Reine Zeitverschwendung, hast du immer gesagt.«
    Ich nahm einen zweiten Zug. Diesmal etwas vorsichtiger.
    »Na ja, Bewunderung ist vielleicht ein bisschen viel gesagt, aber du wirst nicht behaupten wollen, dass Ralph genauso eine aufgeblasene Niete wie die anderen ist. Er kann wirklich was. Du fandest ihn doch auch gut in Richard II . «
    »Ja, sicher fand ich ihn gut. Trotz seiner widerlichen Art. Aber das sind zwei Paar Schuhe. Das Talent, das einer hat, und was er privat so treibt. Ich meine etwas anderes. Du bewunderst nicht nur sein Talent, du findest ihn sogar interessant. Schon auf der Gartenparty ist mir das aufgefallen. Und jetztwieder. Die Mühe, die du dir gemacht hast, um einen Campingplatz in ihrer Nähe zu finden. Und wie bereitwillig du auf den Vorschlag eingegangen bist, uns bei ihnen einzuquartieren. Du suchst seine Nähe, bewusst oder unbewusst. Das finde ich komisch. So bist du nicht, Marc. So warst du

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