Sommerhaus mit Swimmingpool
schon beim ersten Knall zu Caroline in den Hauseingang verkrochen. Ich hatte ein paar Raketen abgefeuert. Über einen Knallfrosch hatte icheine leere Blechbüchse gestülpt, damit es noch lauter krachte. Caroline hatte den Mädchen eine Wunderkerze gegeben, aber nach draußen hatten sie sich nicht mehr getraut. Sie waren im Türeingang stehen geblieben und hatten die Arme weit von sich gestreckt, damit die Funken nicht auf die Fußmatte fielen. Aus sicherer Entfernung hatten sie ihren Vater beobachtet, der sich ziemlich merkwürdig aufführte. Wie ein zwölfjähriger Junge . Frauen nähen im Krieg die Uniformen, sie füllen die Granaten in den Munitionsfabriken. Sie leisten einen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen, wie man so sagt. Aber das Abfeuern der Granaten überlassen sie den Männern.
»Papa, Papa! Dürfen wir jetzt schon eine anzünden?«
Alex und Thomas schleppten sich an einem Bündel Feuerwerkskörper ab, von denen manche länger waren als sie selbst. Ein paar fielen auf den Boden.
»Na, sollen wir nicht noch etwas warten?«, fragte Ralph. »In einer Stunde gehen wir alle zum Strand.«
»Aber die Leute nebenan haben doch auch schon angefangen«, sagte Alex.
»Bitte, Papa«, bettelte Thomas.
Ralph schüttelte den Kopf und lachte. Er nahm eine leere Flasche vom Tisch. »Also gut, eine«, sagte er.
Ich betrachtete die Raketen, die die Jungen auf dem Boden ausgebreitet hatten. Die kleinsten waren noch gut einen Meter lang. So nebeneinander angeordnet, erinnerten sie an ein beschlagnahmtes Waffenarsenal. An den Vorrat einer Guerilla-Gruppe oder einer Terrorzelle. Die technologisch überlegenen Besatzer verfügen über Panzer und Flugzeuge. Sie haben Hubschrauber, die lasergesteuerte Raketen abfeuern können, doch die Qassam-Raketen, die in Wohngebiete einschlagen, haben eine größere psychologische Wirkung.
»Nein, nicht hier«, sagte Ralph. »Nicht so nah bei dem ganzen Zeug. Ein Funke und wir fliegen alle in die Luft, das Haus inklusive. Wir gehen am besten zum Swimmingpool.«
»Hältst du das für eine gute Idee?«, fragte Judith.
»Sollen wir nicht warten, bis wir am Strand sind?«, sagte Caroline.
»Ich gehe ins Haus«, sagte Judiths Mutter.
Doch Ralph lachte nur. »Ist doch klar, dass die Jungen nicht warten können.«
Ich blickte von der Rakete, die Alex und Thomas beim Swimmingpool in die Flasche gesteckt hatten, zu meinen Töchtern. Als die Lunte anfing zu brennen, hielten sie sich die Ohren zu. Julia schrie auf, als sich die Rakete zischend in die Luft erhob und die Flasche in tausend Stücke zersprang. Ein paar Scherben landeten im Wasser.
Der Knall kam unerwartet rasch. Laut und dumpf, lauter und dumpfer als der der Nachbarn. Er fing unter den Fußsohlen an und bahnte sich dröhnend einen Weg nach oben, er nutzte die Brusthöhle, um sich auszubreiten, und endete schließlich unterm Schädeldach. Für einen kurzen Augenblick blieb einem die Luft weg. Diesmal heulten eine ganze Reihe von Autoalarmanlagen auf. Hunde bellten hysterisch. Julia und Lisa schrien. »Merde!« , rief eine Frauenstimme, und als wir uns umdrehten, sahen wir Emmanuelle, die nur noch den Stiel und den Fuß ihres Weinglases in der Hand hielt. Auf ihrer weißen Bluse breitete sich ein roter Fleck aus.
»So, da habt ihr’s«, rief Judith.
»Noch eine! Noch eine!«, schrie Thomas.
»Cool«, sagte Alex und pfiff durch die Zähne. »Boah-ey! Crazy!«
»Also gut, noch eine«, sagte Ralph.
»Kommt nicht infrage«, sagte Judith. »Also wirklich, geht mit dem Zeug zum Strand, da könnt ihr euch austoben! Hast du gehört, Ralph? Ich sage es nicht zweimal.«
Ralph hob beschwichtigend die Hände. »Okay, okay, ist ja schon gut.«
Es wurmte mich wieder schrecklich, dass ich keine Feuerwerkskörper gekauft hatte. Ich hätte nicht so rasch klein beigegeben wie Ralph. Ich suchte Carolines Blick. Meine Frau mochte zwar das Geknalle auch nicht, aber ich glaube kaum, dass sie in all den Jahren, in denen wir zusammen waren, jemals Hast du gehört, Marc? Ich sage es nicht zweimal zu mir gesagt hat.
Unsere Blicke trafen sich. Sie machte sich an dem Weinfleck auf Emmanuelles Bluse zu schaffen.
Sie zwinkerte mir doch tatsächlich zu, kein Irrtum möglich. Ob sie den Weinfleck meinte, Judiths Verärgerung oder die ganze Situation, war mir allerdings nicht deutlich, aber das spielte auch keine Rolle. Die Komik des Ganzen war ihr jedenfalls nicht entgangen. Sie wolle definitiv am Montag weg, hatte sie gesagt, aber offenbar hatte sie
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