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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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jetzt schon Abschied von den Meiers und ihrem Sommerhaus genommen. Nein, keinen Abschied, sie hatte sich von ihnen distanziert. Ich zwinkerte zurück und dachte an das, was vor einigen Stunden in der Küche passiert war. An meine Zungenspitze, die an Judiths Zähnen entlangfuhr, meine Hand auf ihrem Hintern. Ich dachte an ihre Finger, die den Knopf meiner Hose öffneten. Die Feuerwerkskörper wurden eingesammelt, einige von uns gingen noch ins Haus, um sich einen Pullover oder eine Jacke zu holen. Dann versammelten wir uns bei den Autos. Emmanuelle hatte keine Lust mitzukommen, und Stanley gab sich nicht sonderlich Mühe, sie umzustimmen. Auch Judiths Mutter blieb zu Hause.
    Julia und Lisa wollten mit Alex und Thomas hinten in Ralphs Auto sitzen. Es gab einen Augenblick, da Judith, die an der offenen Autotür lehnte, zu mir hersah. Ich hielt ihren Blick fest, wie man den Blick einer Frau festhält, wenn man andere Absichten hat. Hinterabsichten. Das Licht der Lampe über der Garagentür spiegelte sich in ihren Augen. Ich dachte daran, welche Möglichkeiten der Strand bot. Es würden viele Leute dort sein. Wir würden uns aus den Augen verlieren. Einige würden sich aus den Augen verlieren. Andere würden sich gerade zu finden wissen.
    »Ich weiß nicht so recht«, sagte Caroline, »ich glaube, ich bleibe auch hier.« Sie legte mir ihre Hand auf den Arm.
    »Ja?«, sagte ich und drehte mein Gesicht aus dem Lichtkreis. »Wenn du keine Lust hast, brauchst du wirklich nicht mitzukommen. Überhaupt kein Problem. Wenn du müde bist, gehe ich alleine.«

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25
    Manchmal spult man sein Leben zurück, um zu schauen, an welchem Punkt es noch eine andere Wendung hätte nehmen können. Aber manchmal gibt es gar nichts zurückzuspulen – man weiß es zwar selbst noch nicht, aber es spult nur noch vor. Man wollte, man könnte den Film anhalten … Hier , sagt man sich. Wenn ich hier etwas anderes gesagt hätte … etwas anderes getan hätte.
    An dem Abend ging ich zum Strand. Und als ich zurückkam, war ich ein anderer Mensch. Nicht vorübergehend für ein paar Tage oder Wochen, nein, für immer. Man hat einen Fleck auf der Hose. Der Lieblingshose. Man wäscht sie zehnmal hintereinander bei neunzig Grad. Man schrubbt und scheuert und reibt. Man fährt schweres Geschütz auf. Bleichmittel. Topfkratzer. Aber der Fleck geht nicht weg. Und wenn man zu lange schrubbt und reibt, entsteht nur etwas anderes. Eine Stelle, an der der Stoff dünner und heller ist. Diese helle Stelle ist die Erinnerung. Die Erinnerung an den Fleck. Jetzt kann man zweierlei machen. Entweder man wirft die Hose weg, oder man trägt für den Rest seines Lebens die Erinnerung an den Fleck mit sich herum. Aber die helle Stelle erinnert einen nicht nur an den Fleck. Sie erinnert einen auch an die Zeit, als die Hose noch sauber war.
    Spult man nur weit genug zurück, kommt irgendwann auch die saubere Hose wieder ins Bild. Inzwischen weiß manaber, dass sie nicht sauber bleiben wird. Ich weiß, dass ich mein Leben von nun an immer wieder zurückspulen werde. War es da?, werde ich mich jedes Mal fragen. Oder doch noch etwas weiter zurück …? Da? Ich halte den Film an.
    Hier ist sie noch sauber.
    Und hier schon nicht mehr.
    Wir holperten zur Straße hinunter, als Stanley Forbes ein Päckchen Marlboro aus seiner Brusttasche fischte und mir vor die Nase hielt. Dankbar nahm ich mir eine Zigarette.
    »Pass auf«, sagte er.
    »Wieso?«
    »Du fährst zu weit rechts, wir haben dem Lieferwagen fast den Spiegel abgefahren.«
    Ich gehöre zu der Kategorie Mann, die Kritik an ihrem Fahrstil nur schwer verträgt. Überhaupt nicht verträgt , könnte ich besser sagen. Aber Stanley hatte natürlich recht. Ich hatte viel zu viel getrunken, ich dürfte eigentlich gar nicht fahren. Wir waren auch unschlüssig gewesen. Stanley hatte schon bei seinem Mietauto gestanden, aber er hatte schließlich mit den Schultern gezuckt und war zu mir in den Wagen gestiegen.
    »Danke«, sagte ich jetzt. »Achtest du auf rechts, dann achte ich auf links.«
    Ich schaltete zurück und fuhr langsamer. Etwa dreißig Meter vor uns sah ich die Rücklichter von Ralphs Volvo hinter einer Kurve verschwinden. Als ich das Auto am Straßenrand zum Stehen brachte, hörte ich, wie die Reifen mit einem Geräusch, das an Zähneknirschen erinnerte, an der Bordsteinkante entlangschrappten.
    »Was ist?«, fragte Stanley.
    »Ach, ich dachte gerade, heute ist ein Feiertag. Auf der Straße zum Strand gibt es

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