Sommerhaus mit Swimmingpool
für ein Gesicht, Marc?«, sagte er. »Ja, dir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, was? Sei doch so gut und bring mir noch ein Bier.«
Es begann zu dämmern. Ab und zu schossen die Flammen durch den Grillrost in die Höhe. Wir saßen auf der Terrasse und tranken Bier oder Wein. Judith hatte Schüsseln mit Oliven, Anchovis und scharfen Würstchen auf den Tisch gestellt. Auf dem Grill brutzelte der Schwertfisch. Als ich zu Judith hinsah, deren Gesicht durch das Feuer goldgelb leuchtete, senkte sie den Blick. Caroline starrte vor sich hin und nippte an ihrem Wein. Auch sie schien sich Mühe zu geben, mich nicht anzusehen. Ich sitze hier , sagte ihre Körpersprache. Ich sitze hier, aber ich wäre am liebsten woanders .
Thomas und Lisa spielten Tischtennis. Alex und Julia lagen nebeneinander beim Swimmingpool in einem Liegestuhl, sie teilten sich die Ohrstöpsel von Julias iPod. In den vergangenen Stunden hatte ich noch ein paarmal vergeblich versucht, Kontakt mit meiner Älteren zu bekommen. Wenn ich sie etwas fragte, zuckte sie mit den Achseln und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Hast du Lust, nachher zum Strand zu gehen?«, fragte ich, um überhaupt etwas zu sagen. »Und das Feuerwerk anzuschauen?« Und dann zuckte sie mit den Achseln undseufzte. »Wenn ihr keine Lust habt, könnt ihr auch hierbleiben«, sagte ich. Ich fühlte, wie mein Gesicht heiß wurde. »Wir können Risk spielen oder etwas anderes. Monopoly …« Julia hob das Haar hoch und schüttelte es zurück. »Mal sehen«, sagte sie, wandte sich ab oder ging davon. Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Es war, als würden sich alle Frauen einen Sport daraus machen, mich zu ignorieren. Die Ausnahmen waren Lisa und Judiths Mutter. Während der Essensvorbereitungen hatte Vera mich einige Male angelächelt, und als Ralph auf den Schwertfisch einhieb, hatte sie mir sogar kopfschüttelnd einen Blick des Einverständnisses zugeworfen. Und Lisa? Lisa sah mich immer noch an, wie alle elfjährigen Töchter ihren Vater ansehen. Als wäre er der ideale Mann. Der Mann, den sie später heiraten wollen.
Ich musste es weiterhin versuchen, sagte ich mir. Julias Augen würden nicht lügen. Ein Blick genügte. In den Augen meiner Tochter würde ich die schreckliche Wahrheit finden. Oder nicht. Es war noch immer möglich, dass ich mir alles nur einbildete. Vielleicht war etwas zwischen ihr und Alex passiert. Vielleicht war sie in kurzer Zeit »erwachsen« geworden, wie das so schön heißt, fand sie die Anwesenheit eines nörgelnden Vaters nur störend. Das war die Biologie. Dagegen war kein Kraut gewachsen.
»Das war sehr interessant, was du uns heute Nachmittag erzählt hast, Stanley«, sagte Ralph, während er die ersten Brocken auf unsere Teller verteilte. »Im Auto. Ich glaube, Marc würde das auch interessieren.«
Mehr aus Höflichkeit als aus Interesse blickte ich Stanley an. Beim geringsten Anzeichen von Unwillen würde ich nicht weiter drängen. Er stach mit der Gabel in den Fisch, woraufhin sich sofort eine Wasserpfütze auf seinem Teller bildete, schnitt sich ein ordentliches Stück ab und steckte es in den Mund.
»Ach ja«, sagte er.
In dem Moment schoss im Nachbargarten eine Rakete indie Luft. Es hatte schon öfter geknallt an diesem Abend, doch noch nie so nah. Alle hielten den Atem an. Die Rakete hob sich zischend und Funken sprühend in die Höhe. Dann ein Knall und ein Blitz. Oder eigentlich war es umgekehrt. Das Licht ist schneller als der Schall. Direkt über uns zerplatzte die Rakete, unsere Gesichter leuchteten weiß auf, doch der Knall ließ auf sich warten. Er war laut und dumpf. Ein Blitzschlag. Der Volltreffer einer Artilleriegranate. Eine Autobombe. Doch so nah, dass das Geräusch den ganzen Körper zu füllen schien. Es nahm seinen Anfang im Magen, pflanzte sich wie ein verhallender Donner an der Innenseite der Rippen fort, um schließlich über die Kinnlade und das Trommelfell den Körper zu verlassen. Frauen und Kinder schrien. Männer und Jungen fluchten. Eine Flasche fiel um und zerbrach auf dem Fußboden. Auf der Straße heulte eine Autoalarmanlage auf. »Teufel noch mal!«, rief Ralph, der sein Fischsteak auf die Steinplatten hatte fallen lassen. Noch ein paarmal hallte der Knall zwischen den Hügeln wider. Dann war es still.
»Wow!« Das war Alex. Er und Julia hatten sich die Stöpsel aus dem Ohr gezogen und waren aufgesprungen. Julia schaute sich verängstigt um. Sie blickte zu ihrer Mutter. Zu Ralph. Zu Judith. Sogar
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