Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
Vom Netzwerk:
zu Stanley und Emmanuelle. Zu allen außer zu mir.
    »Papa, Papa! Hast du auch solche Raketen?« Thomas kam vom Haus gerannt. »Papa! Schießen wir auch Böller ab, Papa?«
    »Das ist doch nicht mehr normal«, sagte Judith. »Was soll daran lustig sein?«
    »Ich dachte, ich bekomm keine Luft mehr«, sagte Caroline.
    Sie hatte eine Hand auf ihre Brust gelegt und atmete ein paarmal tief durch. Und auch Judith war aufrichtig entrüstet. Ich dachte an die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. An die unüberbrückbaren , nicht zu erklärenden Unterschiede.
    Männer lieben es, wenn es kracht. Je lauter, desto besser.Eine in den Augen der Frauen lausbubenhafte Vorliebe. Sie werden einfach nie erwachsen , sagen sie und lächeln mitleidig. Und sie haben recht. Ich erinnere mich, wie ich mit sechzehn beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern alle Vorsichtsmaßregeln in den Wind schlug. Eine feige glimmende Lunte kam nicht infrage, es musste ein Feuerzeug oder ein Streichholz sein. Die Raketen steckte ich nicht in eine leere Flasche, ich zündete sie aus der Hand. Ich wollte ihre Kraft zwischen den Fingern spüren. So würde auch etwas von der Kraft auf mich übergehen. Am Anfang hielt ich sie noch so verkrampft fest, dass sich Splitter von dem Holzstock in meine Finger bohrten, wenn sich die Rakete aus meinem Griff löste und Richtung Himmel schoss. Ich lernte, dass man sie so locker wie möglich festhalten muss. Sie hat ihren eigenen Willen. Sie will nach oben. Ich dachte in einem solchen Moment nie an den tatsächlichen Anlass, auch nicht wenn es Silvester war. Ich dachte an Krieg. An echte Raketen und Flugabwehrgeschütze. An eine Befreiungsarmee, die die Hubschrauber und Transportflugzeuge des militärisch und technisch übermächtigen Feindes mit einer Panzerfaust vom Himmel holte. Oft konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, die Rakete so schräg wie möglich abzufeuern. Dann krachte sie schon mal gegen das gegenüberliegende Haus. Der Nachbar öffnete das Fenster und schaute erschreckt auf die Straße. »’tschuldigung! Kommt nicht wieder vor!« Ich setzte mein scheinheiligstes Gesicht auf. Das Gesicht eines Fußballers, der seinen Gegenspieler mit einer Blutgrätsche für den Rest seines Lebens zum Krüppel macht. ’tschuldigung, bin ausgerutscht … Die nächste Rakete richtete ich auf eine Gruppe von Leuten, die in einiger Entfernung herumschlenderten. Es war Krieg. Es ist besser, einen Krieg zu gewinnen, als ihn zu verlieren. Das lehrt uns die Geschichte. Und die Biologie. Es ist besser, jemanden totzuschlagen, als selber totgeschlagen zu werden. Seit Menschengedenken bewacht der Mann den Eingang der Höhle. Angreifer werdenin die Flucht geschlagen. Menschen. Raubtiere. Ein Angreifer, der nicht aufgibt, kann später nicht sagen, er sei nicht gewarnt worden. »Ein Mann vermeidet den Kampf nur, wenn die Überlegenheit des Gegners zu groß ist«, dozierte Professor Herzl. »Ist der Gegner ihm ebenbürtig oder unterlegen, taxiert er seine Chancen. Er ballt die Fäuste. Er prüft die Schärfe seines Schwertes. Er entsichert die Pistole. Er dreht den Geschützturm seines Panzers den Bruchteil einer Sekunde schneller als der Gegner. Er zielt und feuert. Er überlebt.«
    Thomas stand jetzt vor seinem Vater. »Hast du auch solche Raketen, Papa?«
    Ralph bückte sich, spießte die Scheibe Schwertfisch mit der Grillgabel vom Boden auf und legte sie wieder auf den Rost. Ein breites Grinsen zog über sein Gesicht.
    »Schau mal im Schuppen, Sohn«, sagte er. »Die Tür hinter der Tischtennisplatte. Du auch, Alex.«
    Ich fühlte eine plötzliche Leere. Ralph hatte Böller besorgt, und ich hatte nicht daran gedacht. Gestern war ich an einer Wellblechbude am Rand des Dorfes vorbeigekommen, wo sie das Zeug verkauften. Ich hatte den Fuß vom Gas genommen. Nur mal gucken, was sie so alles haben . Aber ich hatte keinen Parkplatz gefunden und war weitergefahren.
    Wenn ich wie Ralph zwei Söhne gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich das Auto auch fünf Kilometer entfernt geparkt, dachte ich jetzt. Aber ich hatte zwei Töchter. Ich erinnerte mich an den Silvesterabend vor ein paar Jahren. Ich hatte, obwohl ich es eigentlich hätte besser wissen müssen, wieder ein paar Böller und Raketen gekauft. Um Mitternacht hatte ich die erste in eine Weinflasche auf dem Bürgersteig vor unserer Haustür gesteckt. Ich hatte die Lunten von drei Knallfröschen aneinandergeknotet und sie in die Luft geworfen. Aber Julia und Lisa hatten sich

Weitere Kostenlose Bücher