Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
Vom Netzwerk:
vielleicht Kontrollen. Ich habe wirklich zu viel getrunken, dann bin ich meinen Führerschein sofort los.«
    »Okay.«
    »Aber es gibt noch einen anderen Weg. Einen Schotterweg. Du weißt ja, wir haben hier in der Gegend ein paar Tage gezeltet. Wenn ich den Campingplatz finden kann, kommen wir auch hin.«
    Es kostete einige Mühe, wir landeten ein paarmal in einer Sackgasse, aber schließlich stießen wir auf einen Schotterweg, bei dem ich mir fast sicher war, dass er zum Campingplatz führen würde. Links und rechts nur Bäume, ich ließ das Fenster herunter und schaltete das Fernlicht ein.
    »Rechts sind Bäume, Marc«, sagte Stanley. »Und links übrigens auch.«
    Wir mussten beide lachen, und wie um zu demonstrieren, dass ich der Situation wieder Herr war, drückte ich aufs Gaspedal. Die Räder drehten durch, und das Auto machte einen Satz nach vorn.
    »Yeah!« , sagte Stanley. »Zebra One, we’re on our way!«
    Vermutlich war das ein Zitat aus einem Film, das ich hätte erkennen müssen, aber ich hatte keinen blassen Schimmer. Und auch keine Lust, ihn danach zu fragen. Andere Fragen hätte ich schon gehabt. Wie alt ist Emmanuelle eigentlich? Ist sie beim Sex genauso phlegmatisch, wie sie aussieht, oder trügt der Schein, wie so oft, und kannst du alter Knacker mit ihr mithalten? Behält sie auch im Bett ihre Sonnenbrille auf?
    »Worum ging es eigentlich vorhin?«, fragte ich. »Ralph sagte, du hättest etwas erzählt, was mich auch interessieren würde.«
    »Ach ja«, sagte Stanley.
    »Wenn du keine Lust hast … dann ein andermal.«
    Der Schotterweg führte steil abwärts, ab und zu sah ich in der Tiefe Lichter zwischen den Bäumen, aller Wahrscheinlichkeit nach gehörten sie zu den Bars und Restaurants am Strand. Wir waren auf dem richtigen Weg.
    Auch Stanley hatte das Fenster geöffnet. Er warf seine Zigarette hinaus und zündete sich eine neue an. »Ein paar Monate nach dem elften September lud die Regierung Bush einige Filmregisseure ins Weiße Haus ein. Hauptsächlich Science-Fiction-Regisseure. Stephen Spielberg, George Lucas, James Cameron. Und mich. Ich habe ein paar Science-Fiction-Filme gedreht. Einer ist in Europa nur als DVD herausgekommen, aber der andere war ein ziemlicher Erfolg. Tremor . Ich weiß nicht, ob du den mal gesehen hast?«
    Der Titel kam mir irgendwie bekannt vor, aber der letzte Film in dem Genre, den ich gesehen hatte, war The Day After Tomorrow .
    »Nein, ich fürchte nicht.«
    »Ist auch egal. Wir waren eine ziemlich illustre Gesellschaft da im Oval Office. George Bush natürlich und Dick Cheney und Donald Rumsfeld. George Tenet vom CIA und noch so ’n paar solcher Leute: der Nationale Sicherheitsberater und einige Generäle. Und wir, die Regisseure. Es gab Nüsse und Häppchen. Und Kaffee und Tee. Aber auch Bier und Whisky und Gin. Es ging schließlich um die Fantasie, unsere Fantasie.«
    Der Schotterweg verengte sich, wurde kurviger und ging in schier endlose Haarnadelkurven über. Ich bremste mit dem Motor im zweiten Gang und hörte durch das offene Fenster, wie die Kieselsteine unten gegen das Auto schlugen. Es roch nach warmen Tannennadeln. Und nach Meer. Ich dachte an Caroline, die im Sommerhaus geblieben war. An den Moment, als sie mir noch einen Abschiedskuss auf die Wange gedrückt hatte. Hast du nicht zu viel getrunken? Kannst du noch fahren?
    »Wir sollten unserer Fantasie freien Lauf lassen, darum hatten sie uns eingeladen«, fuhr Stanley fort. »Ich weiß nicht mehr, wer auf die Idee gekommen war. George Bush selber oder einer seiner Berater. Whatever . Wir fingen mit Tee und Kaffee an, gingen dann aber schon bald zu Bier und Whisky über. Auch der Präsident. Der kippte gleich mehrere doppelte Whiskys hinunter. Dick Cheney und Donald Rumsfeld tranken Gin. Irgendjemand hatte Musik angemacht. Erst Bob Dylan, dann Jimi Hendrix und die Dixie Chicks. Es war irgendwie fucking unbelievable , wenn ich jetzt daran zurückdenke. Aber wir machten, wozu man uns eingeladen hatte: Wir fantasierten munter drauflos. Bisher war ja noch nie jemand auf den Gedanken gekommen, Terroristen könnten Passagierflugzeuge als Waffen einsetzen. Alles war auf die Sicherung der Flugzeuge selbst konzentriert, auf die Verhinderung von Bombenattentaten oder Geiselnahmen. Flugzeuge, die in Wolkenkratzer flogen, das war etwas völlig Unvorstellbares. Darum ging es ihnen: Ob wir uns bitte das Unvorstellbare vorstellen wollten. Mit unserer Fantasie, mit der wir ja Außerirdische auf der Erde landen

Weitere Kostenlose Bücher