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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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Assistentin rufen. »Doktor!« Ich hörte das Geräusch eines Stuhls, der zu Boden polterte, und dann eine andere Stimme. »Wo bist du, du Schwein?«, kreischte sie. »Komm raus, oder bist du zu feige?«
    Ich grinste meinen Patienten an. »Einen Augenblick, bitte«, sagte ich. Von der Eingangstür bis zum Sprechzimmer führt ein Gang, zuerst muss man an einem Tisch vorbei, an dem meine Assistentin sitzt, dann kommt man zum Wartezimmer, das eigentlich ein Warteraum ist, denn er hat keine Tür.
    Ich warf einen Blick zur Seite. Wie gesagt, war es noch früh am Morgen, doch es saßen schon drei Patienten da, die in alten Marie Claires und National Geographics blätterten. Das heißt, sie hatten die Zeitung auf den Schoß gelegt und sahen zu Judith Meier auf. Judith war, gelinde gesagt, nach dem Tod ihres Mannes nicht hübscher geworden. Ihr Gesicht war rot angelaufen, aber nicht gleichmäßig, die Haut war fleckig. Hinter ihrem Rücken gestikulierte meine Assistentin Entschuldigungen. Noch weiter hinten, bei der Eingangstür, lag ein umgekippter Stuhl.
    »Judith!«, rief ich und breitete die Arme aus, als sei ich froh, sie zu sehen. »Was kann ich für dich tun?«
    Für ein paar Sekunden schien meine Begrüßung ihr die Sprache zu verschlagen, aber in der Tat nicht mehr als ein paar Sekunden.
    »Mörder!«, schrie sie.
    Ich sah kurz zu den Leuten im Warteraum hin. Ein Filmregisseur mit Hämorrhoiden, ein Galerist mit Erektionsproblemen und eine nicht mehr ganz junge Schauspielerin, die ihr erstes Kind erwartete, wenn auch nicht von dem blonden, kräftig gebauten und immer unrasierten Schauspieler, den sie vor sieben Monaten auf einem Schloss in der Toskana geheiratet hatte – alles auf Kosten des Society-Programms des kommerziellen Senders, der die Feierlichkeit und die Afterparty live übertragen durfte. Ich zuckte mit den Achseln undzwinkerte ihnen zu. Ein Notfall, sollte das heißen. Ein typischer Fall von akuter Hysterie. Alkohol oder Drogen – oder beides. Damit sie es auch verstanden, zwinkerte ich ihnen noch mal zu.
    »Judith«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Komm doch bitte mit, dann schaue ich, was ich für dich tun kann.«
    Bevor sie antworten konnte, hatte ich mich schon umgedreht und ging mit großen Schritten zu meinem Sprechzimmer. Ich legte meinem Patienten die Hände auf die Schultern. »Würden Sie bitte noch einmal ganz kurz im Warteraum Platz nehmen? Meine Assistentin wird Ihnen ein Rezept ausstellen.«

[Menü]
4
    Über meinen Schreibtisch hinweg betrachtete ich Judith Meiers Gesicht. Die Flecken waren immer noch da. Es war schwer zu erkennen, ob es ein weißes Gesicht mit roten Flecken war oder ein rotes Gesicht mit weißen Flecken.
    »Du kannst einpacken«, sagte sie zum zweiten Mal. Und: »Diesen Saftladen hier kannst du dichtmachen.« Sie warf den Kopf zurück, in die Richtung der Tür, hinter der sich der Warteraum mit den Patienten befand.
    Die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt, legte ich die Fingerspitzen aneinander und beugte mich etwas vor. »Judith«, begann ich – wusste aber einen Moment lang nicht, wie es weitergehen sollte. »Judith, ist es nicht etwas voreilig, solche weitreichenden Schlussfolgerungen zu ziehen? Ich habe bei Ralph anfangs vielleicht eine Fehldiagnose gestellt. Das habe ich zugegeben. Das wird morgen von der Ärztekammer geprüft. Aber ich habe nie vorsätzlich –«
    »Warten wir ab, wie die Ärztekammer entscheidet, wenn ich ihr die ganze Geschichte erzähle.«
    Ich starrte sie an. Ich versuchte zu lächeln, doch mein Mund fühlte sich an wie damals, als ich mir bei einem Sturz mit dem Fahrrad den Unterkiefer gebrochen hatte. Ein Loch in der Straße. Bauarbeiten. Die Stelle war zwar eingezäunt gewesen, doch Witzbolde hatten die Gitter geklaut. In der Erste-Hilfe-Station hatte man meinen Ober- und Unterkieferaneinandergenäht, ich durfte sechs Wochen nicht reden, und essen konnte ich nur mit einem Strohhalm.
    »Gehst du hin?«, fragte ich so ruhig wie möglich. »Das ist nicht üb–«
    »Nein, das haben sie mir auch gesagt. Aber sie fanden die Sache doch schwerwiegend genug, um eine Ausnahme zu machen.«
    Diesmal lächelte ich. Das heißt, es gelang mir, die Lippen so zu bewegen, dass man es für ein Lächeln halten konnte. Doch es fühlte sich an, als würde ich nach Tagen des Schweigens zum ersten Mal den Mund wieder aufmachen.
    »Ich sage kurz meiner Assistentin Bescheid«, sagte ich. »Es ist wohl sinnvoll, die Patientenakte vor mir zu

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