Sommerkind
ich, dass alles, was du uns gerade erzählt hast, unter uns dreien bleiben sollte. Verstehst du? Es ergibt nicht viel Sinn, und wenn du es herumerzählst, würdest du bloß noch Öl ins Feuer gießen.” Chloe presste die Lippen aufeinander, ihr feuchter Blick ruhte auf dem Tisch. “Das Einzige, was wir nicht vergessen sollten, ist, dass Sean ein guter Mensch war. Vielleicht hat er tatsächlich etwas getan, was ihn in den Augen der Kirche zum Sünder werden ließ, doch bestimmt nicht in den Augen Gottes, und nur das zählt. Gott könnte einen solchen Menschen niemals für einen Sünder halten. Vielleicht hast du also einfach nur ein paar Dinge durcheinandergebracht, oder vielleicht war Sean selbst durcheinander und wusste nicht mehr, was er fühlen oder denken sollte. Wie dem auch sei – das, was er dir anvertraut hat, muss unter uns bleiben. In Ordnung?”
Shelly nickte. Sie war erleichtert, ihren Schwestern alles erzählt zu haben, und Chloes Worte hatten sie beruhigt. Chloe nahm sie in den Arm, dann stand sie auf.
Bei dem Geräusch einer zuschlagenden Autotür hoben alle drei die Köpfe. Auf der anderen Straßenseite ging Grace gerade von ihrem Auto zur Eingangstür des Poll-Rory. Ob sie weiß, was sie da drin erwartet, fragte Daria sich. Sie hoffte inständig, Rory könnte das Spiel, das sie spielte, beenden.
Chloe, die noch nichts von Graces Lügen wusste, sah Daria an. “Und was ist mit dir, meine Süße?”, fragte sie und machte dabei eine Kopfbewegung zu Rorys Cottage. “Alles in Ordnung?”
“Jetzt geht es mir gut”, antwortete Daria. Und auf Chloes ungläubigen Blick hin wiederholte sie lächelnd und auch für sich selbst: “Ehrlich, Chloe. Es geht mir gut.”
Rory ließ Grace hinein. Seit seinem Gespräch mit Daria am Tag zuvor hatte er diesen Moment zugleich gefürchtet und herbeigesehnt. Grace begrüßte ihn mit einem Lächeln. Anscheinend ahnte sie nicht, dass sie enttarnt worden war. Was wirklich hinter ihrer Maske lag, konnte Rory nicht sagen, aber er wollte es in den nächsten Minuten herausfinden.
Sie stand in der Tür und musste seinen ernsthaften Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn ihr Lächeln verschwand schnell.
“Stimmt was nicht?”, fragte sie.
“Wir müssen reden.”
Sogleich spiegelte sich Angst in ihren Augen. “Worüber?”
Sie folgte ihm ins Wohnzimmer, blieb jedoch stehen, als er auf einem Stuhl Platz nahm.
“Ich weiß, dass du und dein Mann nicht getrennt lebt”, begann er. “Und ich weiß, dass du ein Kind hattest, das im April bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.”
Grace atmete tief durch. Sie schloss kurz die Augen und setzte sich aufs Sofa. “Woher weißt du das alles?”
“Wusstest du, dass Daria unter den Sanitätern war, die um das Leben deiner Tochter gekämpft haben?”
Ihr wich so schnell die Farbe aus dem Gesicht, dass er von ihrer Ahnungslosigkeit überzeugt war. Dann wusste sie vermutlich auch nichts über Shellys Beteiligung an der Sache. “Ich hatte keine Ahnung”, sagte sie.
“So ist es aber. Und die Tatsache, dass sie deine Tochter nicht retten konnte, hat sie schwer mitgenommen. So sehr, dass sie nicht länger als Rettungsassistentin arbeiten kann und beschlossen hat, die Familie der Pilotin – deiner Tochter – ausfindig zu machen, um mit ihnen über den Unfall zu sprechen. Also ist sie nach Rodanthe gefahren und hat mit deinem … Mann gesprochen.”
“Oh Gott …”
“Und dein Mann hat dich wohl erwähnt. Daria musste nur noch eins und eins zusammenzählen, um zu begreifen, dass du und die Mutter der Pilotin ein und dieselbe Person seid.”
Grace stützte den Kopf in ihre Hände. “Oh Rory, es tut mir so leid. Das muss dir alles ziemlich krank vorkommen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Daria an der Rettungsaktion beteiligt war. Das ist einfach ein verrückter Zufall. Als ich dir gesagt habe, ich hätte keine Kinder, habe ich gelogen, weil ich nicht über Pamela sprechen wollte. Es tut einfach zu weh. Sie war doch mein Baby.” Grace begann bitterlich zu weinen, und ihre Tränen erweichten Rorys Herz. “Und was die Trennung betrifft, da habe ich nur zum Teil gelogen”, sagte sie.
“Daria meinte, du lebst auf demselben Grundstück wie dein Mann.”
Grace nickte. “Ich lebe über unserer Garage. Ich würde auch woanders hinziehen, wenn ich es mir leisten könnte. Aber zurzeit geht es nicht. Wenn Eddie diese Trennung nicht als solche akzeptiert, macht er sich was vor.”
Ihre Unterlippe zitterte, und Rory wusste,
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