Sommerkind
Pilotin, auch.”
“Ja. Grace sagte, das sei erblich. Der Verlust ihrer Tochter schmerzt sie wirklich sehr. Ich vermute, deshalb fühlt sie sich auch so zu Shelly hingezogen. Shelly ist kaum älter als Pamela. Ich glaube nicht, dass mehr dahintersteckt.”
“Hoffentlich hast du recht. Ich halte es nach wie vor für einen erstaunlichen Zufall, dass sie sich ausgerechnet in unsere kleine Sackgasse verirrt hat.” Als ihr bewusst wurde, wie hart ihre Worte klangen, hätte sie sie am liebsten zurückgenommen. Es war so offensichtlich, dass Grace Rory am Herzen lag, auch wenn ihr das nicht gefiel. Wieso erkannte er nur nicht, dass Grace ihn manipulierte?
“Wenn du sie gestern Abend gesehen hättest, würdest du anders denken.”
“Und”, wollte Daria wissen, “wie stehen die Dinge nun mit euch?”
Rory lachte. “Lustig, dass du das fragst. Ich hatte mir schon Vorwürfe gemacht, weil ich eine Affäre mit einer verheirateten Frau habe. Aber es gab gar keine Affäre. Dafür hat sie gesorgt. Diese Liaison hat nur in meiner Fantasie existiert. Aber um auf deine Frage zu antworten: keine Ahnung.” Er faltete die Hände und streckte die Arme nach vorn. “Ich will sie wiedersehen. Ich bin nicht böse auf sie, sondern nur …”
Von oben ertönte plötzlich ein Geräusch, und Daria horchte auf. “Ich wusste gar nicht, dass Shelly zu Hause ist”, sagte sie leise. Ihr Herzschlag beschleunigte sich leicht.
Dann hörten sie einen dumpfen Knall, gefolgt von Stimmen. Die eine war eine Männerstimme, und Daria war sofort alarmiert. “Das kommt aus Shellys Zimmer. Wer könnte denn bloß bei ihr sein?”
Rory sah zur Treppe hinüber. “Vielleicht ein Kumpel?”
Daria schüttelte den Kopf. “Mit dem würde sie nicht in ihr Schlafzimmer gehen. Du meine Güte, Rory, was, wenn es jemand ist, den sie irgendwo aufgegabelt hat? Ein Fremder? Sie freundet sich doch mit jedem an. Vielleicht ist es sogar ein Psychopath.”
“Beruhige dich. Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber … vielleicht solltest du trotzdem mal nachsehen.”
“Ich will sie ja nicht bloßstellen.” Auch Daria sah nun zur Treppe. “Aber ich würde es mir auch nie verzeihen, wenn ihr da oben jemand was antut.”
“Ich finde, ihre Sicherheit ist jetzt wichtiger als ihr Stolz”, sagte Rory.
Daria erhob sich. “Ruf die Polizei, wenn ich schreie”, sagte sie. Dann ging sie nach oben.
Sie klopfte an Shellys Zimmertür. “Shelly?”
Im Zimmer war es beunruhigend still. Daria vernahm nur gedämpfte Stimmen und das Geraschel einer Bettdecke.
“Shelly, ist alles in Ordnung?”
Sie hörte Schritte, dann wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet … von Zack. In Shellys Bett lag Kara, die sich die Bettdecke bis zum Kinn zog. Daria war sprachlos vor Überraschung.
“Ich bin nicht Shelly”, sagte Zack mit einem verlegenen Grinsen. “Shelly hat uns ihr Zimmer angeboten, solange sie am Strand spazieren ist.”
Daria hörte Rorys Schritte auf der Treppe. Es klang, als nähme er zwei Stufen auf einmal. Zacks Grinsen verschwand. “Ist mein Dad etwa hier?”, fragte er mit großen Augen, und Daria nickte.
“Zack?”, rief Rory im Näherkommen.
“Verdammt.” Zack wollte gerade die Tür schließen, doch Rory stand schon im Flur. Er schob sich an Daria vorbei und hielt die Tür mit einer Hand auf.
“Was zum Teufel macht ihr da?”, schnauzte er. Fast wäre Daria in lautstarkes Gelächter ausgebrochen, so dämlich war seine Frage. Sie musste daran denken, dass sie Shelly vor einigen Jahren dasselbe gefragt hatte, als sie sie mit einem dieser Hallodris im Bett erwischt hatte.
“Shelly hat gesagt, wir könnten in ihr Zimmer gehen”, antwortete Zack leise.
“Ich glaube, ihr zwei zieht euch jetzt besser an und kommt da schleunigst raus. Wir sehen uns in fünf Minuten zu Hause.” Er zog die Tür zu, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und sah Daria an. “Pfui”, flüsterte er, und sie musste sich ein Lachen verkneifen.
Gemeinsam gingen sie nach unten. “Ich entschuldige mich für die Verantwortungslosigkeit meiner kleinen Schwester”, sagte Daria.
Rory öffnete die Wohnzimmertür und sah zur Decke. “Was mache ich denn jetzt?”, fragte er, aber es klang nicht, als erwarte er tatsächlich eine Antwort.
“Sei verständnisvoll. Sei freundlich. Mach all die Dinge richtig, die ich damals in derselben Situation bei Shelly versaut habe.”
Rory lächelte. “Ich werde es versuchen.” Dann drehte er sich um und ging.
Behandle Zack mit
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