Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
Vom Netzwerk:
sie das Poll-Rory nie. Bestimmt haben sie gehofft, ich würde es eines Tages für meine Familie nutzen. Nur, bis jetzt war das leider nicht möglich.”
    “Warum nicht?”
    “Wegen Glorianne, meiner Exfrau.”
    “Wollte sie nicht herkommen?”
    “Das wäre untertrieben. Sie und ich waren sehr verschieden. Sie war …” Er schaute einen Augenblick lang aufs Meer, als wählte er seine Worte mit großer Sorgfalt. “Als ich sie zum ersten Mal traf, war sie sehr jung und schüchtern und … bescheiden. Ihre Eltern waren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sie hatte nur wenig Geld, aber dafür einen Haufen Schulden. Kurz gesagt: Glorianne hatte nichts. Sie brauchte mich, und ich habe es genossen, gebraucht zu werden. Doch mit der Zeit hat sie sich verändert. Als wir erst mal Geld hatten, ist es ihr zu Kopf gestiegen. Ich wollte immer in einer mittelständischen Nachbarschaft leben. Ich wollte, dass Zack eine öffentliche Schule besucht und genauso bodenständig aufwächst wie ich. Glorianne hatte sich ausgemalt, nach Beverly Hills zu ziehen und Zack auf eine Privatschule zu schicken, da wir uns das ja schließlich leisten konnten. Doch ich wollte nicht, dass Zack Popularität und Reichtum höher bewertet als Ehrlichkeit und Menschlichkeit.”
    Rory machte eine kleine Pause. “Das Ergebnis war: Wir lebten in einer sehr hübschen Gegend der oberen Mittelschicht, und Zack ging auf eine staatliche Schule. Aber ich musste einen Kompromiss eingehen: die Urlaubsorte. Ich hätte liebend gern jeden Sommer hier in Kill Devil Hills verbracht, doch Glorianne hasste den Strand, und die Ostküste sowieso. Sie wollte im Sommer immer weit verreisen. Sie sagte, wenn ich Zack schon das restliche Jahr über derart einschränken würde, wäre es das Mindeste, mit ihm im Sommer nach Europa zu fliegen.” Rory sah verblüfft aus, als wäre er immer noch überrascht, dass sich seine bescheidene Frau so sehr verändert hatte. “Also haben wir es so gemacht”, endete er. “Bis jetzt jedenfalls.”
    “Der Sommer mit dir wird Zack guttun.”
    Rory lachte. “Das sieht er ein wenig anders. Zumindest nörgelt er die ganze Zeit herum. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ich glaube sogar, er hat sich schon mit ein paar Jungs vom Strand angefreundet. Jetzt gerade ist er auch dort.”
    “Ist eure Ehe deswegen in die Brüche gegangen?”, fragte Daria neugierig. In dem Artikel, den sie gelesen hatte, war nur von unüberwindbaren Differenzen die Rede gewesen. “Wegen eurer unterschiedlichen Auffassungen in puncto Wohnort und Erziehung?”
    “Und wegen tausend anderer Dinge”, antwortete er. “Auch Polly hat sich als großer Faktor beim Niedergang meiner Ehe erwiesen.”
    Das überraschte sie. “Warum?”
    “Nach dem Tod meiner Eltern habe ich Polly zu mir genommen. Ich habe sie aus Richmond nach Kalifornien geholt. Mir war sehr daran gelegen, dass Zack sie kennenlernt. Er sollte erleben, dass Menschen mit Downsyndrom auch Menschen sind; dass sie liebenswert und kostbar sind. Und ich glaube, das hat auch geklappt. Zack und Polly haben sich prima verstanden.” Auf der Suche nach Worten blickte Rory zum Himmel, der nun fast rabenschwarz war. Dann sah er Daria an. “Aber dass Polly bei uns wohnte, hat unsere Ehe sehr belastet. Unsere Beziehung stand auch so schon auf recht wackligen Beinen, und Glorianne hat Polly immer als Eindringling betrachtet. Außerdem hat sich Polly weder richtig an die Westküste gewöhnen noch mit dem Tod unserer Mutter abfinden können. Und zur Krönung bekam sie dann noch Herzprobleme und brauchte intensive medizinische Betreuung. Es lag Glorianne einfach nicht, darauf zu achten, dass Polly regelmäßig ihre Medizin einnahm oder die Arzttermine einhielt.”
    “Das muss schwer für dich gewesen sein”, sagte Daria mitfühlend. Die Art, wie Rory von seiner Schwester sprach, rührte sie. Und diese Parallelen zwischen Rorys Problemen mit seiner Frau und ihren Schwierigkeiten mit Pete – unglaublich. Mit dem Unterschied, dass Glorianne mit Pollys Einzug einverstanden war. “So, wie du von Polly sprichst – das zeigt mir, dass du mich verstehst”, sagte sie. “Du musst einfach nachvollziehen können, warum ich Shelly beschützen will.”
    Er nickte. “Natürlich, das kann ich, Daria. Aber Shelly ist ganz anders als Polly. Shelly ist imstande, eine Situation kritisch zu betrachten und sich zu überlegen, was sie will.”
    Er hatte recht, wenn auch nur teilweise. Daria seufzte und stand

Weitere Kostenlose Bücher