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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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heftiges Unwetter heraufzieht und wir evakuiert werden. Ich hasse diese Evakuierungen.” Ihr schauderte bei dem Gedanken daran. “Ich hasse es, aufs Festland zu gehen.”
    “Wieso?”
    “Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich das Gefühl habe, keine Luft zu kriegen, wenn ich nicht hier bin. Ich kann nicht atmen, nicht schlafen – ich werde ganz kribbelig. Alles ist durcheinander, bis ich wieder in Kill Devil Hills bin.”
    Er hatte das Bedürfnis, väterlich seinen Arm um ihre Schultern zu legen, ließ es dann aber bleiben. Sie war in der Tat zerbrechlich, so wie Daria gesagt hatte.
    “Aber es ist ziemlich windig hier”, fuhr Shelly fort. “Vor allem im Winter, aber eigentlich immer. Daria mag das nicht. Sie sagt immer, sie hat schlechte Windhaare. Ich habe gute Windhaare. Genau das meine ich: Es ist, als wäre ich für ein Leben am Strand geschaffen.”
    Er wusste zwar nicht genau, was gute oder schlechte Windhaare waren, aber er verstand, was sie sagen wollte.
    “Da ist Jill!”, sagte Shelly.
    Er folgte ihrem Blick zu einer korpulenten Frau in einem Liegestuhl, die ein Buch las.
    “Die Jill aus unserer Straße?”, fragte er. Die Frau hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Jill Fletcher, die einst seine Nachbarin gewesen war.
    “Ja genau. Komm, wir sagen ihr Hallo.” Noch bevor er etwas erwidern konnte, steuerte Shelly schnurstracks auf die Frau zu.
    “Hi Jill”, sagte sie, als sie vor ihr stand.
    Die Frau sah von ihrer Lektüre auf und schirmte mit der Hand die Augen gegen das Sonnenlicht ab. Sie lächelte. “Hi Freundin”, erwiderte sie. Dann sah sie an Shelly vorbei zu Rory. Ihr Lächeln wurde breiter. “Rory Taylor. Ich habe schon gehört, dass du den Sommer hier verbringst.”
    Er hätte sie ebenso wenig erkannt wie Linda. Sie war drei Jahre älter und früher in einem anderen Freundeskreis gewesen als er. Dennoch – während seiner Jugend hatte er sie jeden Sommer täglich gesehen. Er hatte sie als zierlich und dunkelhaarig in Erinnerung. Jetzt war ihr dickes Haar silbergrau und kurz, und es stand ihr fantastisch. Zudem war sie nicht mehr das dünne Persönchen von damals, sondern hatte mindestens zwanzig Kilo Übergewicht. Ihr tief ausgeschnittener schwarzer Badeanzug betonte die großen Brüste.
    Er beugte sich vor und gab ihr die Hand. “Hallo Jill. Schön, dich wiederzusehen.”
    Jill lachte. “Jetzt sag bloß nicht, ich hätte mich kein bisschen verändert.”
    “Du siehst toll aus”, sagte er und meinte es auch so. Trotz ihrer Pfunde war sie eine äußerst attraktive Frau. Sie hatte immer noch diese strahlend blauen, dicht bewimperten Augen.
    “Deinen Sohn habe ich auch schon kennengelernt”, sagte sie.
    “Ach tatsächlich?” Er sah sich zwischen den glitschigen Sonnencreme-Körpern um, die ihn umgaben. War Zack irgendwo in der Nähe?
    “M-hm. Er ist um die fünfzehn, stimmt's? Genauso alt wie mein Sohn Jason. Sie haben sich neulich Abend am Strand getroffen und hängen seitdem ständig zusammen. Ich habe gehört, er hat ein Auge auf eine der Wheeler-Enkelinnen geworfen.”
    Wirklich?
Er hatte definitiv keinen Draht mehr zu Zack.
    “Bestimmt auf Kara”, warf Shelly ein. “Die ist wirklich süß.”
    “Daria hat erzählt, du bist dieses Jahr für das Lagerfeuer verantwortlich”, lenkte er ab.
    “Dieses Jahr und jedes Jahr”, antwortete Jill. “Die Lagerfeuer waren schon immer meine schönste Sommererinnerung.”
    “Ja, das war immer toll”, stimmte er zu.
    Unvermittelt zog Shelly ihren Rock aus und ließ ihn in den Sand fallen. “Ich gehe mal kurz ins Wasser”, sagte sie zu Rory. “Bin gleich wieder da. Also geh bloß nicht ohne mich weiter!”
    “Nein, ich warte.”
    “Ist sie nicht faszinierend?”, fragte Jill, während sie Shelly hinterhersahen. Sie hielt ihm ein Handtuch zum Draufsetzen hin, und er nahm es dankend an. “Jeden Tag ist sie hier draußen und geht den Strand entlang, als wäre sie selbst eine frische Meeresbrise.” Sie sah ihn an. “Ich habe gehört, du willst eine Sendung über sie machen”, sagte sie, und er versuchte vergebens, den Unterton in ihrer Stimme einzuordnen.
    “Sie hat mich gebeten, ein paar Nachforschungen darüber anzustellen, wie sie als Baby an den Strand gekommen ist.”
    Jills Blick ruhte auf Shelly, die mit langen kräftigen Zügen vom Ufer wegschwamm. “Ich hoffe, sie bereut das nicht eines Tages”, entgegnete sie. “Ich habe sie aufwachsen sehen, Sommer für Sommer. Sie ist eine so gute Seele. Ihre Mutter

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