Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
Vom Netzwerk:
und machte sich nun auf den Weg zum Strand. Den Hund auf den Fersen, ging Rory ihr nach. Als Shelly den Scheitelpunkt der niedrigen Düne erreichte, war er fast mit ihr auf gleicher Höhe. Wie sie so zwischen dem Strandhafer stand, ging eine fast überirdische Aura von ihr aus, und er blieb stehen, um sie einfach nur anzusehen. Ihr weißer Bikini hob sich deutlich von der gebräunten Haut ab. Über der Bikinihose trug sie einen hauchdünnen weißen Wickelrock. Die sanfte Brise strich ihr das lange blonde Haar aus dem Gesicht. Was war sie doch für ein atemberaubendes Wesen.
Das Findelkind.
So würde er die Episode von “True Life Stories” nennen.
    “Shelly?”, rief er und trat einen Schritt näher.
    Sie drehte sich um und lächelte ihn an. “He, Rory”, sagte sie. “Du hast ja einen von Lindas Hunden dabei.”
    Rory sah zu der Hündin hinunter, die sich an sein Bein schmiegte. “Anscheinend hat sie mich adoptiert”, scherzte er. Er hatte Linda am Tag zuvor kurz am Strand getroffen. Glücklicherweise hatte sie ihn angesprochen, denn er hätte sie nie im Leben erkannt. Aus ihr war eine grobknochige, aber dennoch attraktive Frau geworden. Mit ihren kurzen blonden Haaren und der runden Brille hatte sie rein gar nichts mehr mit dem schüchternen Bücherwurm von damals gemein, und Rory konnte immer noch nicht glauben, dass es sich um ein und dieselbe Person handelte.
    “Darf ich dich ein Stück begleiten?”, fragte er.
    “Klar. Aber Melissa nicht. Lauf nach Hause, Melissa!”
    Folgsam drehte sich die Hündin um und trollte sich.
    “In welche Richtung gehen wir?”, wollte Shelly wissen.
    Er zeigte nach Süden. “Du scheinst den Hund ja gut zu kennen”, sagte er, als sie losgingen.
    “Und du scheinst Hunde sehr zu mögen. Melissa ist nämlich Lindas unfreundlichste Hündin.”
    “Oh – und ich dachte, es könne gar keine unfreundlichen Golden Retriever geben.”
    “Dieser hier ist einer. Wenn auch nicht zu mir. Und zu dir auch nicht, wie es aussieht.”
    Sie bahnten sich ihren Weg durch ein Meer aus Handtüchern, Liegestühlen und Sonnenschirmen und wateten dann durch das seichte Wasser. “Ich möchte mir über eine Sache Klarheit verschaffen”, begann er. “Daria und Chloe macht es stark zu schaffen, dass ich Nachforschungen über deine Vergangenheit anstellen will. Ich muss also von dir wissen, ob ich es trotzdem versuchen soll.”
    “Ja, das will ich unbedingt”, antwortete Shelly.
    “Was, wenn ich dahinterkomme … wenn ich etwas herausbekomme, was sehr schmerzhaft für dich ist? Ich könnte zum Beispiel herausfinden, dass deine richtige – deine biologische – Mutter nichts von dir wissen will. Es wäre sogar möglich, dass sie sich wünscht, du wärest an jenem Tag gestorben. Wie würde es dir ergehen, wenn ich so was in Erfahrung brächte?”
    Shelly sah zu Boden, wo das Wasser im Takt der Wellen über ihre Füße plätscherte und sich wieder zurückzog. Einen Augenblick lang bezweifelte er, dass sie ihn gehört – oder verstanden – hatte. Doch dann wandte sie sich ihm zu. Auf ihren Lippen lag ein leises Lächeln. “Na ja, dann wäre das die Wahrheit. Und was ich wirklich erfahren möchte, ist die Wahrheit.”
    “Also gut.” Rory war erleichtert. “Aber wenn du deine Meinung zu irgendeinem Zeitpunkt änderst, brauchst du nur einen Ton zu sagen, und ich lasse sofort die Finger von der Sache, in Ordnung?” Er hoffte, dazu würde es nicht kommen.
    “In Ordnung.”
    “Na, dann erzähl mir doch mal aus deinem Leben.”
    “Oh, mein Leben ist einfach wunderbar. Ich habe …” Plötzlich flog ein Wasserball quer über den Strand und landete nur wenige Meter vor ihren Füßen. Ein kleiner, etwa dreijähriger Junge rannte weinend hinterher. Shelly machte ein paar große Schritte, hob den Ball auf und gab ihn dem Jungen. Dann tätschelte sie ihm den Kopf und schickte ihn zurück zu seinen Eltern. Rory und Shelly gingen weiter.
    “Ist er nicht bezaubernd?”, fragte sie, während sie sich noch mal nach dem Jungen umdrehte. “Und ist der Strand nicht der schönste Ort der Welt?” Sie streckte die Arme zur Seite und legte den Kopf in den Nacken, um die salzige Luft tief einzuatmen. Dann sah sie Rory an. “Ich will für immer am Strand bleiben. Hier bin ich geboren, und hier möchte ich sterben.”
    “Ist es hier im Winter nicht ziemlich garstig?”, fragte Rory.
    “Nein, der Winter macht mir nichts aus. Das Einzige, was mir am Wetter hier nicht gefällt, sind die Stürme. Wenn ein

Weitere Kostenlose Bücher